Die Entwicklung des
Personalrats von
2006 bis heute
Ein Beitrag von Ralf Eger
Mit 20 Jahren, als ich als Student immer wieder bei der Post jobbte, trat ich der Gewerkschaft bei. Ich bin fest davon überzeugt, dass es den allermeisten ArbeitnehmerInnen ohne das gewerkschaftliche Engagement zahlloser, ihre Freizeit für die gewerkschaftliche Arbeit opfernde KollegInnen aktuell sehr viel schlechter ginge. Die eigenen Rechte alleine gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen, gelänge sicher nur in den seltensten Fällen.
Deshalb kam für mich vor 17 Jahren auch nur eine Kandidatur auf der ver.di-Liste infrage. Damals befanden sich 2 große Listen im Personalrat, die Freie Liste und ver.di. Als kleine Liste gab es noch die Liste des BJV, damals bereits mit der Freien Liste eng verbunden, aktuell Bestandteil dieser.
Zu diesem Zeitpunkt beherrschte Monika Philipp das Personalratsgeschehen bereits seit 11 Jahren als Vorsitzende sowohl des Örtlichen als auch des Gesamtpersonalrats.
Die Freie Liste erreichte auch 2006 wieder die absolute Mehrheit und besetzte alle wichtigen Positionen mit ihren eigenen Leuten.
Ich war angetreten, mit einer überzeugenden „Oppositionsarbeit“ mitzuhelfen, zumindest 2011 den lange herbei gesehnten Wechsel hin zu ver.di zu erreichen und voller Tatendrang, mich zusammen mit meinen Ver.di-KollegInnen zu bemühen, mit engagierter Personalratsarbeit zu überzeugen.
Dementsprechend groß war meine Enttäuschung, bereits nach wenigen Monaten feststellen zu müssen, dass die arbeitnehmerferne Personalratsarbeit der alle und alles dominierenden Vorsitzenden Monika Philipp von der Freien Liste auch listenübergreifend breite Unterstützung fand. Nachdem meinen ver.di-Personalratskolleg/-innen klar wurde, dass ich meine einsamen Bemühungen um die Behandlung wichtiger Themen nicht aufgeben würde, isolierte und mobbte man mich nach allen Regeln der Kunst. Mehrmals wurde mir gesagt, ich sei geisteskrank und solle einen Arzt aufsuchen. Vier Jahre währte diese Vorhölle, die ich ohne den Zuspruch zweier damaliger Ver.di-Ersatzmitglieder, die vom Verhalten des Personalrats ähnlich entsetzt waren, nicht überstanden hätte.
Ich möchte mich bei Brigitte Teifel, die mittlerweile im Ruhestand ist und Paul Köppl, der auch dieses Mal wieder für Die NEUEN antritt, beides überzeugte Gewerkschafter, herzlich dafür bedanken.
2010 bat ich den Ver.di-Verbandsvorstand um eine Diskussion über die Arbeit der Ver.di-Personalräte. Als Grundlage diente ein Bericht, der keinerlei Betriebsgeheimnisse beinhaltete. Einige Monate später wurde mein Papier anonym an den Personalrat weitergeleitet, der nun eine Möglichkeit sah, mich wegen Verletzung der Schweigepflicht aus dem Personalrat auszuschließen.
Selbst der damalige Ver.di-Verbandsvorstandsvorsitzende Tobias Bossert ging von keiner Schweigepflichtverletzung aus. Das Verwaltungsgericht sah es in erster Instanz anders. Ich habe daraus gelernt.
Meine Erfahrung, dass das Engagement für Arbeitnehmerbelange dazu führen kann, verstoßen und verraten zu werden, war die Geburtsstunde der Personalratsliste Die NEUEN, die 2011 zum ersten Mal antrat und auf Anhieb 25% der Wählerstimmen erhielt.
Zusammen mit den gewählten Ver.di-Personalräten hätte es bereits 2011 einen Wechsel geben müssen, hatte die Freie Liste, der Frau Philipp angehört, doch erstmals ihre absolute Mehrheit verloren.
Trotz der Erfahrungen mit ver.di war uns allen klar, dass Monika Philipp nicht wieder zur Vorsitzenden gewählt werden durfte, und alle unsere NEUEN-Personalräte unterstützten Werner Przemeck als Kandidaten für den Vorsitz.
Es kam jedoch anders als erwartet, Frau Philipp wurde ein weiteres Mal zur Vorsitzenden gewählt, weil sich ausgerechnet die ver.di-Spitzenkandidatin Monika Sauer zusammen mit Gabriele Kessler, damals ebenso ver.di, für Frau Philipp anstatt ihrem eigenen ver.di-Kandidaten Werner Przemeck entschieden.
Monika Sauer war danach für ver.di nicht mehr zu sprechen, Gabriele Kessler ist ihrem Wechsel zur Freien Liste bis heute treu geblieben.
ver.di hat übrigens keinerlei Anstrengungen unternommen, dieses Desaster aufzuarbeiten. Werner Przemeck verwies auf die geheime Abstimmung, und damit sollte diese Affäre zu den Akten gelegt werden.
Ich sah keine andere Möglichkeit, als mich zum ver.di-Verbandsgruppensprecher meiner Abteilung wählen zu lassen, um ein halbes Jahr später dieses Thema endlich im ver.di-Verbandsvorstand einbringen zu können.
War das Klima zu Beginn mir gegenüber noch mehr als frostig, begann doch ein Prozess des Umdenkens bei ver.di, es keimte ein echter Hoffnungsschimmer auf, dass sich langfristig etwas zum Besseren verändern könnte.
Aber zunächst lagen noch 5 quälende Jahre vor uns.
Die NEUEN erhielten 2011 nicht nur 25% der Wählerstimmen, sondern auch eine Freistellung. Die Mehrheit des Personalrats unter Federführung der Vorsitzenden ignorierte dieses Wahlergebnis jedoch. 3 Verwaltungsgerichtsverfahren waren nötig, die alle eindeutig gewonnen wurden, um das Ergebnis dieser demokratischen Wahl 2013 mit zweijähriger Verspätung endlich umsetzen zu können. Ich wurde frei- und sofort von Monika Philipp kaltgestellt.
Jeder Versuch meinerseits, mich zu engagieren, wurde von der Vorsitzenden mit allen Mitteln be- und verhindert. Nicht wenige ordentliche Personalratsmitglieder nahmen dies jedoch widerspruchslos hin oder waren aktiv daran beteiligt.
Diese letzte Wahlperiode unter der völlig aus dem Ruder laufenden Führung von Monika Philipp bleibt vielen wohl eher als ein böser Alptraum in Erinnerung.
Aber endlich gab es bei den ver.di Personalräten die Erkenntnis, dass der arbeitgebernahen Personalratspolitik der Freien Liste aktiv etwas dagegengesetzt werden muss. Die Vorsitzende zog zwar noch einmal über 5 schleppende Jahre hindurch alle Register persönlicher Beleidigungen und Ausfälle, immer wieder mussten Sitzungen unterbrochen werden, eine auch nur annähernd konstruktive Arbeit war nicht einmal mehr ansatzweise möglich, aber das Ende der der „Ära Philipp“ war nicht mehr aufzuhalten.
Für einen Vorfall auf der letzten Personalratssitzung vor der Wahl 2016 sah sich Monika Philipp sogar gezwungen, sich in einem persönlichen Intranet-Beitrag zu entschuldigen. Die Flut der zu diesem Artikel eingehenden Kommentare aus der Belegschaft zeigte jedoch den deutlichen Stimmungswandel in der Belegschaft.
Bei den letzten Wahlen 2016 war es dann so weit, die Freie Liste verlor endlich ihre absolute Mehrheit, und diesmal konnte mit den gemeinsamen Stimmen der NEUEN und ver.di Werner Przemeck als neuer Vorsitzender gewählt werden.
Das erste dreiviertel Jahr war geprägt von einer echten Aufbruchsstimmung.
Unsere erste Personalversammlung wurde live von drei Kameras ins Funkhaus übertragen, wir versuchten, neue Wege zu gehen, wollten Kolleg/-innen besser erreichen können und eine eigene Personalratsplattform einführen.
Schon bald jedoch fielen wir in unsere alten Strukturen zurück, Grabenkämpfe flammten wieder auf, und nach 2 Jahren ging es mehr um das Durchsetzen persönlicher Machtansprüche als um die ernsthafte Auseinandersetzung der vielen drängenden Themen.
Matthias Dachtler, zweimal für die NEUEN als Spitzenkandidat angetreten, verschaffte Frau Philipp noch ganz am Ende ihrer beruflichen Laufbahn die Genugtuung, sich selbst zur Wahl zu stellen und mich damit als stellvertretenden Vorsitzenden des ÖPR abzulösen.
2020 wurde dann auch noch der GPR-Vorsitzende Peter Steinhöfel von ver.di von Matthias Dachtler aus seinem Amt verdrängt.
Ich bedauere es, nicht schon früher erkannt zu haben, dass weder Matthias Dachtlers programmatische Ausrichtung noch die Wahl seiner Mittel zu den Grundsätzen unserer Liste Die NEUEN passen.
Die Wahl 2021 war geprägt von Wahlwerbungbeschränkungen und Einschränkungen in einem Ausmaß, dass wir noch vor dem Wahlende beschlossen und bekanntgaben, diese Wahl anzufechten.
Nun also hat die Wahlwiederholung begonnen.
Ich habe mich ein viertel meines Lebens in der Schlangengrube des BR-Personalrats aufgehalten in der Hoffnung, mit meinem Engagement dazu beitragen zu können, an der Entstehung eines engagierten, hinter den Anliegen der Belegschaft stehenden Personalratsgremiums mitarbeiten zu können.
Nach den unerträglichen Jahren der Ära Philipp, die nun das erste Mal auch von der Freien Liste völlig zutreffend als „kannibalisiert“ bezeichnet wurde, ist es zwar mittlerweile gelungen, im Personalratsgremium überwiegend sachorieniert zusammenzuarbeiten.
Dass die Freie Liste dies nun aber als ihren Verdienst darstellt, ist schlichtweg falsch.
Keiner der wieder zur Wahl anstehenden Kandidat/-innen der Freien Liste, die Monika Philipp noch miterleben „dürften“, hatte damals den Mut, Kritik an Frau Philipps permanenten Ausfällen und Grenzüberschreitungen zu üben.
Eine erste Verbesserung des Klimas innerhalb des Personalrats begann mit der Mehrheitsverschiebung 2016 zugunsten ver.di und der NEUEN und konnte sich erst dann weiterentwickeln, nachdem Frau Philipp in Rente gegangen war.
Was jedoch noch immer ansteht, ist ein wirklicher Neubeginn im Personalrat.
Der Personalrat muss endlich aus seinem Schattendasein ins Rampenlicht treten, muss sich da einbringen, wo die entscheidenden Weichen gestellt werden, muss für die Belegschaft nicht nur an den halbjährlichen Personalversammlungen, sondern tagtäglich im Betrieb sichtbar sein.
Dafür treten Die NEUEN an, dafür brauchen wir eine Mehrheit im Personalrat, nur so können wir unsere Ziele auch durchsetzen.