Die Mär vom
erzwungenen Stellenabbau
Ein Beitrag von
Renate Ulm und
Nicola Schmidt
Das ist der Redebeitrag, der auf der Personalversammlung im November 2017 in Unterföhring große Wellen geschlagen hat. Er erhielt von Kolleg/-innen Bravorufe und 20 Sekunden Applaus, während Herr Wilhelm ins Straucheln kam, Herr Frenzel ihn als Fake-News bezeichnete und beinahe die Personalversammlung verlassen hätte. Führungskräfte erhielten eine extra Schulung, um gegen diesen Beitrag argumentieren zu können... Bis zum heutigen Tag muss kein Wort davon zurückgenommen werden. Es ist traurig und fatal zu sehen, welch zerstörerische Auswirkungen auf den BR von heute diese Weichenstellung von damals hat. Frau Wildermuth könnte diesen Weg verlassen. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger profitiert sie bzw. ihr Ehemann nicht persönlich von den Auslagerungen und ist parteipolitisch ungebunden.
Wer mit den Aussagen der BR-Kollegen in dieser Dichte konfrontiert wird, ist ratlos, deprimiert bis erschüttert. Man fragt sich unwillkürlich, was hier im BR schiefläuft, und warum?
Auf unsere zahlreichen Nachfragen in den Personalratssitzungen bekamen wir meist unbefriedigende Antworten. Herr Wilhelm und seine Direktoren verwiesen in stereotyper Übereinstimmung auf den 20. KEF-Bericht und die letzte Empfehlung des Obersten Rechnungshofes, wenn die Sprache auf den Abbau und die Sparmaßnahmen kam. Sie hätten zwingende Vorgaben, denen man sich nicht entziehen könne. Beide Institutionen – die KEF und der ORH – wurden als Schreckgespenster aufgebaut und schon v o r jedem Gespräch als Totschlag-Argumente erwähnt, die keine Diskussion mehr ermöglichten.
Liest man den ORH-Bericht von 2016 nach, dann wundert man sich zu erfahren, dass beim BR noch 2014 der Anteil des Personalaufwands am Gesamtaufwand unter dem ARD-Schnitt lag und unter dem der anderen großen Anstalten. Dass sich aber nach 2010 – also mit ihrer Amtszeit Herr Wilhelm – die Personalaufwendungen erst einmal sukzessive steigerten und im Gegenzug zunehmend größere Einschnitte im Programm vorkamen, ist ein Faktum. Mehr Personal bei weniger Programm stellt aber den staatsvertraglichen Programmauftrag in Frage, wie der ORH kritisierte.
Damals versuchte der BR allmählich, gegenzusteuern, aber in einer Art, die der ORH wieder bemängelte: Es lag kein strategisches Personal-Abbaukonzept vor.
Inzwischen gibt es ein kaum nachvollziehbares Konzept: Es sollen einfach 450 Stellen in der Fernsehproduktion abgebaut werden. Das steht so weder im KEF-Bericht noch in der Empfehlung des ORH.
Herr Frenzel erklärte es so:
Es müssen 270 “Vollzeitäquivalente” abgebaut werden, was sich im BR auf ca. 450 Personen auswirken wird.
Der Abbau muss im Verlauf von 10 Jahren stattfinden.
Als Bonbon für die Mitarbeiter: Der BR wolle es sozialverträglich vornehmen, also ohne betriebsbedingte Entlassungen und ohne betriebsbedingte Änderungskündigungen.
Folge wird sein: Weniger Programm-Output, weniger Produktionen.
Soweit die Aussage von Herrn Frenzel.
Im Bericht des ORH findet sich die Aufforderung aber nicht, 450 Stellen innerhalb von 10 Jahren abzubauen. SONDERN: Bis 2018 sollen ca. 75 Stellen, bis 2023 weitere 100 Stellen abgebaut werden. Dazu nahm dann aber der BR Stellung: Er wolle bis 2025 die Fernsehproduktion um 450 Stellen reduzieren.
Herr Wilhelm, der Abbau von 450 Stellen im Fernsehbereich ist nicht die Forderung des ORH und nicht das Verlangen der KEF, es ist der Vorschlag des BR, es ist Ihr Vorschlag.
Im 20. KEF-Bericht heißt es dazu: „Beim BR ist eine Verringerung um 80 Stellen angemeldet, öffentlich angekündigt ist inzwischen sogar die Streichung von insgesamt 450 Stellen beim BR bis 2025.“
„Öffentlich angekündigt“ bedeutet, dass die KEF selbst verwundert war, dass der BR in vorauseilendem Gehorsam fast 6 Mal mehr Stellen abbauen will als verlangt. Das Abbauprogramm des BR findet also nicht, wie Herr Wilhelm und seine Direktoren mantra-artig herunterbeten, auf Druck der KEF oder der ORH, sondern ausschließlich auf Initiative der Intendanz statt.
Nach all diesen Fakten und diesen Fehlinformationen sollten Sie nun doch von ihrem strikten Abbauvorgehen ablassen, das zurzeit nur für ein großes Chaos in der Produktion sorgt. Denn weder die KEF noch der ORH wollen den BR an die Wand fahren.
Was genau steht im KEF-Bericht? „Die ARD plant für 2017 bis 2020 die Streichungen von weiteren 545 Stellen. Allerdings werden diese Einsparungen nahezu ausschließlich beim BR und beim WDR erbracht.“
Die KEF verlangt also explizit nicht vom BR, dass er 450 Stellen abbauen soll, sondern 545 zusammen mit dem WDR.
Erstaunlicherweise steht der BR im Fokus, obwohl ihm im Bericht des ORH noch für das Jahr 2014 attestiert wurde, dass der Anteil des Personalaufwands am Gesamtaufwand unter dem ARD-Schnitt und unter den drei größten Anstalten lag.
Nun wurde dieser durch Konzeptlosigkeit unkontrollierte, unkontrollierbare und rasante Abbau eingeleitet, der zu dieser chaotischen Situation führt, dass Sendungen nicht fertig gestellt werden können, weil Cutter fehlen, dass Opernübertragungen scheitern können, weil der trimediale Mitarbeiter von Oper keine Ahnung hat, dass Ü-Wägen nicht losfahren können, weil ein einziger Mann im Team fehlt.
Auf diese Weise werden in erschreckender Weise weniger hochkarätige Sendungen und Mitschnitte produziert. Dazu fehlen inzwischen wichtige Mitarbeiter, weil die frei gewordenen Stellen nicht mehr (oder nur begrenzt) besetzt werden. Diese Unterbesetzung führt zu einer enormen Belastung der Mitarbeiter, die – weil sie ihre Tätigkeit gerne und auch vom Arbeitsethos her 100-prozentig machen wollen – an ihre Grenzen kommen. Es folgen Krankheiten und dadurch weitere Ausfälle. Das ist in dieser Art nicht mehr zu tolerieren.
Die nächsten Berichte von ORH und KEF könnten dann so aussehen, dass nun bemängelt wird, dass der besagte Ü-Wagen nur nutzlos herumsteht – weil ein Techniker fehlte – und daher verkauft werden soll. Frau Spanner-Ulmer hat dies bereits in einer Sitzung angedeutet. Dabei bräuchte man ihn dringend mit einer kompletten Crew.
Aber: Weniger Programm stellt – wie anfangs schon erwähnt – den staatsvertraglichen Programmauftrag in Frage. Die KEF wird die Programmminuten wieder addieren, mit den früheren Jahren vergleichen und zu dem Schluss kommen, dass mit den 17,50 Euro für ein schrumpfendes Programm zu viel Gebühren entrichtet werden. Vermutlich wird die KEF die Gebühren weiter absenken, was zu einer schlimmen Abwärtsspirale führen wird.
Der ORH bemängelte auch, dass die Verwaltung des BR immer höhere Ausgaben zeitigt, seit Herr Wilhelm Intendant ist. Wir bekamen noch kein Abbaukonzept für die Verwaltung vorgelegt. Wenn der BR seine das Programm erstellende Belegschaft derart herunterfährt, braucht es auch keine vergrößerte Verwaltung mehr dafür.
Herr Wilhelm, wenn die Personalplanung nicht endlich gut durchdacht, der rapide Abbau nicht sofort gestoppt wird und die frei werdenden Stellen nicht wiederbesetzt werden, dann wird die höchst beachtete ehemalige Marke BR zur regionalen Bedeutungslosigkeit geschrumpft. Das wollte die CSU schon seit vielen Jahren. Das sollten WIR verhindern!