Liebe KollegInnen,

im BR gibt es aktuell viele Themen, über die man reden muss.

Der Stellenabbau in der Produktion ist noch immer in vollem Gang, Bayern2 wurde vor kurzem vollkommen umgestaltet, Kritiker sagen, zerstört,

das Kulturangebot wird immer weniger.

Trotz eines Personalrückgangs um 50 Prozent in den nächsten 9 Jahren fehlt ein Personalkonzept, weiterhin werden überwiegend befristete Neuverträge ausgestellt, bei Mediengestaltern sogar bis zu 6 Jahren,

die Identifikation mit dem BR wird immer weniger, um nur einige brennende Themen zu nennen. 

Warum haben Die NEUEN bei so vielen offensichtlichen Baustellen im BR nun als erstes Thema ausgerechnet den Programmauftrag gewählt?

Weil er die gesetzliche Grundlage unserer gesamten Arbeit darstellt.

Sollte die Mehrheit der deutschen Gesellschaft zu der Überzeugung gelangen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihrem gesetzlich Auftrag nicht bzw. nur noch teilweise gerecht werden, wird dies zur existentiellen Gefahr.

Nun existieren zwei Seiten dieser „Medaille“: Die eine Seite ist die gefühlte Mehrheitsmeinung aus Politik und Gesellschaft hinsichtlich dieser Frage, die wir nur indirekt beeinflussen können.

Die für uns wesentliche Frage jedoch lautet: Wo erfüllen wir unseren Programmauftrag tatsächlich nicht mehr, wo haben wir unsere Neutralität verlassen, welche Themenbereiche kommen in unseren Programmen zu kurz oder werden gänzlich weggelassen?

Eine möglichst sachliche Diskussion darüber erachten wir als überlebensnotwendig und höchst überfällig.

Wir sind uns bewusst darüber, dass die Betrachtung von Programminhalten niemals völlig objektiv stattfinden kann. Dennoch ist es möglich, konkrete Beispiele bezüglich ihrer journalistischen Darstellung zu analysieren im Hinblick auf die im Programmauftrag gestellten Anforderungen:

Dieser Auftrag ist im Medienstaatsvertrag festgeschrieben und lautet wie folgt:

"Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration, den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie den gesamtgesellschaftlichen Diskurs in Bund und Ländern fördern....

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind bei der Erfüllung ihres Auftrags der verfassungsmäßigen Ordnung und in besonderem Maße der Einhaltung journalistischer Standards, insbesondere zur Gewährleistung einer unabhängigen, sachlichen, wahrheitsgemäßen und umfassenden Information und Berichterstattung wie auch zur Achtung von Persönlichkeitsrechten verpflichtet. Ferner sollen sie die einem öffentlich-rechtlichen Profil entsprechenden Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit achten und in ihren Angeboten eine möglichst breite Themen- und Meinungsvielfalt ausgewogen darstellen."

Liebe KollegInnen, nutzen wir die nächsten 4 Wochen bis zur Wahl am 02.07.2024 erstmalig für eine längst überfällige ausführliche Diskussion über unsere eigene Arbeit, unaufgeregt und offen für alle vorgetragenen Argumente.

Nur gemeinsam können wir den BR substanziell erneuern, verbessern, auf dass das Vertrauen der Bevölkerung in unsere Angebote nicht weiter sinkt, sondern wir selbst über die Verbesserung unserer „Produkte“ eine Trendwende erreichen.

Wir haben die Mittel dazu, und vor allem: Wir haben die Mitarbeitenden dazu: Exzellente Journalisten, Kameraleute, Cutterinnen etc., um unseren Programmauftrag bestens aus eigener Kraft und mit eigenen Kräften zu erfüllen.

In diesem Sinne: Diskutiert mit, bringt konkrete Beispiele aus Eurer Arbeit, bringt Verbesserungsvorschläge aufgrund Eurer langjährigen Erfahrung,

auf dass wir wegkommen vom Primat der Kosteneinsparungen um jeden Preis und uns wieder dem widmen, für das uns unsere Mitmenschen jährlich einen Etat über eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen: Der Erfüllung unseres Programmauftrags.

Lasst uns 4 Wochen lang über unser "Produkt" reden!

Alle Eure Mails werden von uns auf unserer Web-Seite unverändert in voller Länge veröffentlicht,

außer Ihr schreibt explizit, dass Ihr eine Veröffentlichung Eurer Mail nicht wollt.

Wenn Ihr nicht namentlich auf der Web-Seite in Erscheinung treten wollt, was wir gerade bei freien KollegInnen verstehen, schreibt dies bitte dazu, dann wird Euer Text ohne Euren Namen veröffentlicht, der von uns selbstverständlich nicht weitergegeben wird. Da könnt Ihr ganz sicher sein, Verschwiegenheit ist eine der Grundvoraussetzungen für Personalratsarbeit.

Leider ist es technisch nicht möglich, dass ein Kommentar sofort erscheint.

Wir bemühen uns aber, jeden uns erreichenden Kommentar so schnell wie möglich auf unserer Web-Seite zu veröffentlichen.

Ab hier nun konkrete Programmbeispiele, über die  wir gerne mit Dir diskutieren wollen:

Als erstes die Transkription eines Gesprächs der Weltwoche-Herausgebers Roger Köppel mit Harald Kujat vom 02.06.24.

Hier erhält man vom ehemaligen Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses sehr viele konkrete Informationen und die klare Einschätzung, dass die Ukraine den Krieg nicht gewinnen kann. Kujat plädiert für möglichst sofortige Friedensverhandlungen, solange dies für die Ukraine überhaupt noch möglich ist.

Dieses Gespräch kann auch auf YouTube abgerufen werden.


Im Anschluss ein auch auf YouTube zu sehendes Video des BR, welches zeitgleich produziert wurde und in dem Dominik Possoch erklärt, warum für den Westen zum jetzigen Zeitpunkt keine Friedensverhandlungen in Frage kommen. 


Entscheidet selbst, welchen der beiden Beiträge ihr informativer und neutraler empfindet.

Nato-General Kujat: «Der Ukraine-Krieg könnte zur

Urkatastrophe des 21. Jahrhunderts werden»


02.06.24 Roger Köppel im Gespräch mit Harald Kujat

https://youtu.be/YuMfGaKzQxU?si=54DSKbm1kUK-dKql

 

Kujat: Die ukrainische Bevölkerung will Frieden, sie will Verhandlungen. Ich will jetzt gar nicht so ein dummes Zeug zitieren wie, wir müssen bis nach Moskau und die müssen die Russen in die Knie zwingen, das ist alles Unsinn, dass die strategische Lage, so wie sie im Augenblick ist, zu Gunsten der Ukraine gewendet wird, das ist ausgeschlossen

Konkret, mit dem Taurus Marschflugkörper könnte man den Kreml in Moskau

Angreifen, auf jeden Fall, und zwar so, dass er anschließend nicht mehr existiert

 

Köppel: grüezi mitenand, ganz herzlich willkommen und einen wunderschönen guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde, ich begrüße Sie zu einer weiteren Sondersendung von Weltwoche daily: Die andere Sicht, unabhängig, kritisch, zuversichtlich, aufgezeichnet am Sonntag dem 2 Juni 2024. Das Thema sind die jüngsten Entwicklungen im ukrainekrieg, ich freue mich sehr, dass wir einen ausgewiesenen und bei unseren Zuschauern auch schon bestens eingeführten und bekannten Experten am Mikrofon haben ich begrüße herzlich an diesem Sonntag den früheren NATO General Harald Kujat. Herr Kujat, vielen Dank, dass Sie da sind und einen schönen Sonntag schon mal vorne weg.

Wir haben gesehen Ende letzte Woche eine neue Eskalation des Ukraine Kriegs, der

amerikanische Präsident Biden hat der Ukraine erlaubt, mit westlichen Waffen Ziele in Russland anzugreifen. Kanzler Scholz hat nachgezogen, man hat da also die Forderungen erfüllt von NATO-Generalsekretär Stoltenberg und von Präsident Macron, die mit solchen Eskalationswünschen bereits an die Öffentlichkeit getreten sind.

Wie beurteilen Sie diese jüngste Entwicklung?

Kujat: Man muss natürlich sehen, dass die militärische Lage der Ukraine äußerst schwierig ist im Augenblick, und das liegt eben nicht nur daran, dass Waffen fehlen und Munition fehlt, es liegt vor allen Dingen daran, dass die Front, 1300 km lang, völlig überdehnt ist. Die Ukrainer haben hohe Verluste erlitten und sie sind nicht in der Lage, diese, im Augenblick jedenfalls, zu ersetzen. Ich erinnere nur daran, dass der ehemalige Oberbefehlshaber General Saluschnyi ja 500.000 Mann gefordert hat, um die Verluste auszugleichen. dann hat es ein Jahr gedauert, bis das ukrainische Parlament vor ein paar Wochen ein Gesetz verabschiedet hat. Es hat dann die

Zahl reduziert auf 400 000, und im Augenblick sieht es so aus, als würden sie überhaupt nur 150.000 einziehen

können, das liegt natürlich an zwei Dingen: Einmal haben sehr viele junge Männer sehr früh schon das Land verlassen, aber auch während des Krieges, und zweitens sind gerade die Jahrgänge, um die es hier geht, also die 20 bis 30-jährigen demografisch äußerst niedrig, teilweise unter 200.000, also das ist eine ganz ganz

schwierige Situation, und in dieser Situation hat der ukrainische Präsident mehrere Forderungen gestellt, die er dann auch vor kurzem in einem Interview in der New York Times noch einmal zusammengefasst hat, das heißt, wir müssen, glaube ich, diese Forderung einmal insgesamt betrachten, um zu sehen, was das bedeutet.

Die erste Forderung ist die Erlaubnis, zunächst einmal amerikanische Waffensysteme auf russischem Territorium einzusetzen. Das hat auch mit der augenblicklichen Situation zu tun. Die Russen machen an mehreren Frontabschnitten Fortschritte, auch Vorstöße mit großen Fortschritten, große Geländegewinne.

Insbesondere im Raum Charkiw greifen sie seit dem 10 Mai ständig an und versuchen die ukrainischen Streitkräfte zurückzudrängen, wobei es nicht ihr Ziel ist, die Großstadt Charkiw einzunehmen, sondern ihr Ziel ist es, eine Pufferzone zwischen der ukrainisch-russischen Grenze und den ukrainischen Streitkräften zu

Erreichen. Das hat damit zu tun, dass die Ukrainer mehrfach bereits russisches Territorium angegriffen haben, allerdings auf zivile Ziele, muss man immer dazu sagen. Insbesondere wurde mehrfach die grenznahe russische Stadt Belgorod angegriffen, zum Teil auch mit amerikanischer Streumunition. Man sieht daran, dass die Ukrainer sich auch nicht an die Absprachen halten, die sie mit den Amerikanern getroffen haben.

 Streumunition ist ein Waffensystem, das nach dem humanitären Völkerrecht verboten ist, und gerade beim letzten Angriff gab es 24 Tote, darunter fünf Kinder und über 100 Verletzte. Also, das ist das Bemühen der Russen, aber es bedeutet eben, je weiter die ukrainische Front zurückgedrückt wird, desto schwieriger wird es auch,

russische Truppenkonzentrationen in Grenznähe zu bekämpfen, die dort für einen

Angriff zusammengezogen werden. Das ist das Ziel der Ukrainer, deshalb verlangen sie von den Amerikanern die Freigabe, auch diese Konzentration bekämpfen zu können.

Köppel: Was ist der militärische Sinn?

Man könnte ja argumentieren, die Ukrainer haben, wie sie gesagt haben, bereits bei

Charkiw russisches Territorium, Belgorod, angegriffen,, was die Russen nicht davon abgehalten hat, Fortschritte zu machen. Ergibt die Forderung militärisch überhaupt Sinn, jetzt russische Ziele anzugreifen?

Meine Interpretation als militärischer Laie ist, dass Präsident Selenskyi es im Grunde

darauf anlegt, die Russen zu einer ganz massiven Gegenreaktion zu provozieren, auf das dann die NATO gleichsam gezwungen sein wird, Bodentruppen zu entsenden. Das Kalkül von Selenskyi ist jetzt nicht die unmittelbare militärische Zurückschlagung der Offensive, sondern er versucht sozusagen, eine Eskalation dieses Krieges herbeizuführen, was in seinem Interesse ist, ich will das gar nicht negativ bewerten. Das hätte natürlich verheerende Konsequenzen, aber aus der Sicht dieses ja in den Seilen hängenden Präsidenten, dem militärisch die Fälle davon schwimmen, ist der Versuch, über eine Eskalation NATO Bodentruppen mit einzubeziehen, vielleicht der letzte Strohhalm?


Kujat: Genauso ist es. Die Ukraine ist, das muss man also ganz präzise feststellen, nicht mehr in der Lage, militärisch offensiv zu handeln, es sei denn, sie greift zivile Ziele an wie beispielsweise Belgorod, oder sie greift die russischen Raffinerien an, wie sie das mehrere Wochen lang getan hat.

Das wird ja bei uns nicht berichtet.

Dass dann als Reaktion darauf die Russen wiederum die ukrainische Energieinfrastruktur angreifen…

Aber zu wirklich militärischem Handeln, das dazu führt, dass die strategische Lage, so wie sie im

Augenblick ist, zu Gunsten der Ukraine gewendet wird, das ist ausgeschlossen, das muss man ganz klar feststellen. Was sie eben gesagt haben, das unterstreiche ich zu 100%, es wird auch durch die anderen Forderungen, die die Ukraine gestellt hat, noch einmal verdeutlicht. Die zweite Forderung ist nämlich, dass die Nato-Staaten die Ausbildung dieser 150 Rekruten, von denen ich sprach, in der Ukraine übernehmen, und zwar unmittelbar hinter der Front an der Frontlinie.

Die Begründung dafür ist, die dann ausgebildeten Soldaten sollen schnell in die Verteidigung integriert werden.

Wenn man berücksichtigt, dass eine solche Ausbildung etwa 3 Monate dauert, das ist das allermindeste, sonst darf man gar nicht solche nicht fertig ausgebildeten Soldaten in Kampfhandlungen schicken, und diese Ausbildung wie bisher auch in Deutschland oder in anderen Nato-Ländern erfolgen könnte - in Deutschland sind ja vor der großen Offensive im letzten Jahr neun Brigaden in Grafenwöhr ausgebildet worden - bei diesem Zeitraum spielt es überhaupt keine Rolle, ob da noch einmal 10 Stunden Fahrt in die Ukraine dazu kommen oder nicht. Das offensichtliche Ziel ist

es also, dass es durch diese frontnahe Ausbildung zu Kampfhandlungen mit russischen Streitkräften kommt. Die Amerikaner untersuchen natürlich jetzt auch, was es bedeutet, wenn wir das täten. Wir müssten ja unsere Ausbilder zumindest mit bodengestürzter Luftverteidigung schützen. Sie sehen, wir nähern uns immer mehr der Phase, in der ein unmittelbarer Konflikt entsteht.

Die dritte Forderung, die die Ukrainer gestellt haben, ist, dass die Nachbarstaaten der Ukraine, also Polen beispielsweise oder Rumänien, auch mit ihren Luftstreitkräften russische Raketen vom NATO-Luftraum aus im ukrainischen Luftraum bekämpfen.

Auch das ist natürlich wieder der nächste Schritt, der Nato-Staaten direkt in diesen Krieg involviert. Der amerikanische Verteidigungsminister hat kürzlich bei der sogenannten Rammsteinkonferenz eine Andeutung gemacht, die Ukraine müsste ja auch in der Lage sein, angreifende russische Flugzeuge im russischen Luftraum zu bekämpfen. Hintergrund dazu ist folgender:

Die Russen setzen vermehrt Gleitbomben ein, die praktisch nicht bekämpfbar sind. Die sind sehr effektiv. Sie klinken diese Gleitbomben bereits in einer Entfernung von 70 km bis zur ukrainischen Grenze aus, und die gleitbomben gleiten dann direkt in ihr Ziel. Das heißt, wenn man diese Angriffe abwehren will, müsste man die Flugzeuge abschießen, bevor die gleitbomben ausgeklinkt werden.

Diese Andeutung hat der amerikanische Verteidigungsminister gemacht. der Hinweis ist klar. Etwa ab Juli sollen die Ukrainer F16 Kampfflugzeuge bekommen, und diese F16 Kampfflugzeuge sind in der Lage, mit ihren weitreichenden Luftraketen weit in das russische Territorium, in diesem Fall in den russischen Luftraum, hineinzuschießen. Sie sehen also eine ganze Reihe von Maßnahmen, die hier im Augenblick in der Diskussion sind, und alle bestätigen im Grunde das, was sie in ihrer Frage ausgedrückt haben.

Es kommt noch ein letzter Punkt dazu, die Drohung von Präsident Macron, die aber auch von anderen nicht nur unterstützt wurde, sondern wo auch gesagt wurde, wir machen das auch so, nämlich amerikanische Kampftruppen in die Kampfhandlungen zu verwickeln.

Er hat seine Argumente mehrfach variiert, sein letztes Argument war: Wenn die Russen die Frontlinie durchbrechen sollten und die Ukrainer dann um Hilfe bitten, müssen wir uns ernsthaft mit der Frage befassen, ob wir nicht eigene Truppen in die Ukraine schicken Sein Generalstabschef hat das kurz danach präzisiert.

Er hat gesagt, wir sind in der Lage, innerhalb von 6 Wochen etwa 20.000 Mann, also eine starke Division, in die Ukraine zu schicken und wir sind auch in der Lage, ein multinationales Kontingent von 60.000 Mann zu führen.

Ich habe das zunächst mal sehr skeptisch gesehen, habe das auch für einen Bluff gehalten, denn so einfach ist das auch für die Franzosen im Augenblick nicht, aber Präsident Macron hat vor ein paar Tagen angekündigt, in der nächsten Woche bereits einen präzisen Plan zu veröffentlichen. Er konzentriert sich dabei aber wiederum auf diese Ausbildungsfrage, über die wir eben schon gesprochen haben.

Wenn sie das alles zu zusammen betrachten, dann ist es verständlich, dass die ukrainische Führung in ihrer äußerst schwierigen Lage versucht, nach jedem Strohhalm zu greifen.

Aber auf unserer Seite muss man natürlich überlegen, was bedeutet das?

Ich zitiere gerne mal den norddeutschen Dichter Theodor Storm, der gesagt hat, der eine fragt, was kommt danach, der andere fragt, ist es so recht, so unterscheidet sich der Freie vom Knecht, und das ist, wenn sie das auf die gegenwärtige Situation betrachten, auch gerade die europäische Reaktion auf die Änderung der amerikanischen Position im Hinblick auf die Bekämpfung russischer Ziele mit amerikanischen Waffen, dann passt das eigentlich ganz gut.

 

Köppel: Wie erklären Sie sich hier die westliche Strategie? Wir erinnern uns, ganz am Anfang beim Einmarsch der Russen hat Präsident Biden klar gesagt, selbst wenn die Russen in die Ukraine einmarschieren, wäre das für ihn kein Grund, mit Bodentruppen eine direkte Konfrontation zu wagen, was ja damals viele auch als eine Art Eintritts-Billett, einen Persilschein gewertet haben. Er hat ja dann monatelang immer auf die Einhaltung dieser roten Linie geachtet. Wir erinnern uns an Deutschland, zuerst Helme, dann Schutzwesten, plötzlich Panzer.

Heute diskutieren wir den Taurus. Wie ist dieser Wandel zu erklären, dass hier sozusagen eine Art Vietnamisierung stattfindet, also ein schrittweises immer stärker sich engagieren?

Ist das so zu deuten, dass auf der westlichen Seite tatsächlich so etwas wie eine Weltkriegsbereitschaft

im Entstehen begriffen ist, dass man hier sagt, die Russen indirekt einzudämmen, damit sind wir nicht ans Ziel gekommen, jetzt müssen wir gewissermaßen in Kauf nehmen, dass es zu einer Direktkonfrontation kommt?

Ist also sozusagen die Weltkriegsbereitschaft auf Seiten des Westens jetzt vorhanden, eine Entschlossenheit, aufs Ganze zu gehen?


Kujat: Nun, ich glaube, man kann in diesem Zusammenhang den Westen nicht in eine Position bringen. Es gibt hier sehr unterschiedliche Auffassungen. Richtig ist, dass der Westen nun wirklich mit einem enormen finanziellen und materiellen Aufwand versucht hat, die Verteidigung der Ukraine zu unterstützen.

Im Grunde genommen galt ja immer die Parole, die Ukraine darf nicht verlieren und Russland darf nicht gewinnen.

Was sich jetzt zeigt: Es ist genau das Gegenteil eingetreten trotz all diesen Unterstützungsmaßnahmen - durch die ja auch den europäischen Bürgern tief in die Tasche gegriffen wurde - stellt sich nun heraus, dass die Situation heute wesentlich schwieriger ist, als sie es noch am Anfang war. Sie ist permanent schwieriger geworden, und praktisch ist das Rad nicht mehr zurückzudrehen und das bedeutet, dass man nun versucht, auch in einer gewissen Panikstimmung, zu retten, was noch zu retten ist. Präsident Biden hat übrigens seine Entscheidung, die Bekämpfung russischer Ziele mit amerikanischen Waffen auf russischem Boden nicht zuzulassen, damit begründet, dass er gesagt hat, er will den Dritten Weltkrieg vermeiden.

Das heißt, er war sich schon über die Tragweite dieser Entscheidung im Klaren.

Deshalb habe ich ja auch Theodor Storm zitiert, was kommt nach dieser Entscheidung? Es wird ja bei uns immer vordergründig mit dem Völkerrecht argumentieren und es ist völlig außer Frage, dass die Ukraine natürlich berechtigt ist, ihre Verteidigung gegen diesen Angriff auch auf das Territorium Russlands zu tragen, das ist völlig zweifelsfrei.

Die entscheidende Frage ist, was bedeutet das für die Ukraine und was bedeutet das für Russland? Wenn ich Ukraine sage, meine ich den gesamten Westen.

Für die Ukraine bedeutet es eben, dass sie nicht trotz dieser Maßnahme nicht in

der Lage sein wird, ihre Ziele zu erreichen, nämlich die Rückeroberung des Donbass, die Rückeroberung der Krim, all das ist nicht mehr möglich.

Für Russland bedeutet das aber, wie z.B. in der Vergangenheit die Angriffe gegen die russische Ölraffinerien und so weiter, wo es tatsächlich auch Einbußen bei der Benzinversorgung in Russland gab, dass hier eine existentielle Bedrohung entstehen kann.

Ich will das an einem Beispiel illustrieren, aufgrund der Unfähigkeit, mit

konventionellen Streitkräften eine wirksame Verteidigung zu organisieren oder sogar in die Offensive zu gehen, hat die Ukraine praktisch seit dem Ende ihrer großen Offensive Anfang November vergangenen Jahres ihre Angriffe mit Drohnen auf russische Ziele, auf die Energieinfrastruktur, verstärkt und in der vorletzten Woche auch zwei Radarsysteme des russischen Frühwahnsystems angegriffen. Das ist eine wirklich verantwortungslose Maßnahme eines politischen Hasardeurs, anders kann man es gar nicht bezeichnen, denn diese Systeme dienen dazu, einen kontinentalstrategischen Angriff auf Russland zu erkennen und die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Das heißt wenn ich dieses System blind kämpfe, dann ist Russland in der Situation, dass es einen solchen Angriff nicht erkennen kann und zu einer Überreaktion neigen könnte, einen bevorstehenden oder auch nicht bevorstehenden Angriff abzuwehren. Das ist wirklich verantwortungslos.

Die Amerikaner haben das im Übrigen auch kritisiert, es sind also in der vorletzten Woche zwei dieser Frühwahnsysteme angegriffen worden, eines im Raum Krasnodar und eines im in der Nähe von Orenburg.


Köppel: Orenburg liegt etwa 1800 km entfernt von der ukrainischen Grenze. Das muss man immer im Auge behalten in dieser Situation. Das heißt, ich sage, was kommt danach, was passiert eigentlich, wenn die Ukraine dieses fortsetzt und mein Eindruck ist, aber bitte korrigieren Sie mich, mein Eindruck ist, dass aus seiner rationalen Lage gewissermaßen Präsident Selenskyi nun alles daransetzt, diese Eskalation heraufzubeschwören, weil das letztlich die einzige Chance ist, die er hat, in der Hoffnung, dass natürlich dann die Russen sich abschrecken lassen und eben auch nicht suizidal veranlagt sind, um eine Totalkonfrontation mit der NATO zu wagen. Also eine gefährliche Situation. Sie haben in diesem Zusammenhang auch das Bild verwendet „Die Schlafwandler“ mit Blick auf dieses Buch von Christopher Clark zum Ersten Weltkrieg. Schlafwandler, eine Metapher die ich auch schon benutzt habe wenn ich aber ihnen so zuhöre, könnte man auch ein anderes Bild verwenden, Verblendete sind da auf westlicher Seite am Werk, oder etwas zugespitzt formuliert, reiten uns Selenskyi. Biden, Macron, Scholz und Co, assistiert vom Kreml, von Putin, reiten die uns jetzt in einen dritten Weltkrieg hinein?

 

Kujat: also es ist gerade in dieser Situation erstmal erstaunlich, vielleicht kann ich das noch etwas präzisieren, dass die Amerikaner durchaus vorsichtig eskalieren, das ist typisch für die amerikanische Eskalationsstrategie. Sie machen ganz kleine Schritte, warten immer ab, wie der Gegner reagiert. Reagiert er nicht, machen sie den nächsten Schritt. Allerdings ist das Risiko dabei zu realisieren, wann beim Gegner die Toleranzschwelle erreicht oder überschritten ist, und das ist im Augenblick das Problem, aber immerhin, sie gehen sehr vorsichtig vor.

Das heißt, die Freigabe ist regional auf ein kleines Gebiet beschränkt, es können nur Waffen mit kurzer Reichweite eingesetzt werden und der Einsatz von weitreichenden Waffensystemen wie z.B. dem modernen attacks System mit 300 km Reichweite haben die Amerikaner ausdrücklich untersagt. Aber es ist auch so, wie ich wie ich es sehe, dass der amerikanische Präsident wesentlich vorsichtiger agiert als seine Berater, insbesondere als sein Außenminister, der sagte, bisher haben die Russen ja überhaupt nicht reagiert, da müssen wir uns keine Sorgen machen. Das halte ich für ein spiel. Aber immerhin, die Amerikaner reagieren vorerst, ich betone ausdrücklich, vorerst, noch vorsichtig, in Europa gehen aber die Forderungen weit darüber hinaus, also ich will jetzt gar nicht so ein dummes Zeug zitieren wie, wir müssen bis nach Moskau und ähnliches mehr, wir müssen die Russen in die Knie zwingen, das ist alles Unsinn. Aber die Tatsache, dass z.B. ein französischer Präsident explizit seine Bereitschaft erklärt, und andere europäische Regierungschefs ebenfalls ihre Bereitschaft erklären, in Russland zu intervenieren, um es zu einer direkten Konfrontation mit russischen Streitkräften kommen zu lassen, das halte ich schon für eine unverantwortliche Reaktion auf diese Situation. Der Bundeskanzler ist innerhalb weniger Stunden der Entscheidung des amerikanischen Präsidenten gefolgt. Das war überfällig, meine erste Stimmen, und nun müssen natürlich auch Taurus freigegeben werden und da ist es nicht nur dieses Vabanquespiel, sondern es ist auch dieses völlige Unverständnis, was das bedeuten würde. Der amerikanische Präsident hat entschieden über eine regional begrenzte taktische Lage.

Taurus ist ein strategisches System, und jetzt stellen sie sich einmal vor, das heißt konkret, mit dem Taurus Marschflugkörper könnte man den Kreml in Moskau

angreifen, und zwar so, dass er anschließend nicht mehr existiert.

Aber man kann eben auch das Frühwahnsystem damit lahmlegen und man kann auch, so wie die Ukrainer das schon einmal versucht haben - am 26 Dezember 2022, den Flugplatz einer interkontinental-strategischen Bomberflotte angreifen. Wäre dieses System nicht direkt auf dem Flugplatz eingeschlagen, sondern vielleicht einige Kilometer weiter entfernt auf das dortige Nuklearwaffenlager, dann würden wir beide heute nicht mehr miteinander sprechen.

 

Köppel: Kann man mal eine Gegenthese einstreuen aus Sicht der Amerikaner, aus Sicht der NATO. Ist es nicht sogar rational, was sie jetzt machen, denn man könnte argumentieren, mit den bisherigen Maßnahmen ist es uns nicht gelungen, Putin zurückzudämmen. Wir haben so viel politisches Kapital in diese Konfrontation investiert, wir können jetzt nicht einfach gehen wie in Afghanistan, das geht überhaupt nicht und jetzt, indem wir da noch einen Schritt weitergehen, bringen wir ja Putin tatsächlich in eine schwierige Situation, denn ich gehe einmal davon aus, dass man im Westen die Annahme hat, dass Putin nicht gleich von sich aus eine riesige Eskalation vom Zaun bricht, weil das nicht in seinem Interesse ist. Ist diese dosierte Eskalationsstrategie in den Augen des Westens, der sich eine Niederlage in der Ukraine nicht leisten zu können glaubt, also gar nicht das Dümmste, was er machen kann?

 

Kujat: Man muss fragen, was sind die Alternativen? Dass es zu einer nuklearen Eskalation kommt, ist möglich, aber wenig wahrscheinlich. Putin hat selbst gesagt, wir sind nicht verrückt, wir wissen, was ein Nuklearkrieg bedeutet. Aber Russland verfügt eben auch über konventionelle Waffen, die mit einer hohen kinetischen Energie eine große Zerstörung anrichten können und die über viele tausend Kilometer eingesetzt werden können.

Das muss man eben auch dabei berücksichtigen. Es würde ein Krieg auf einem völlig anderen Niveau stattfinden. Also die Frage ist, was können und was wollen wir erreichen? ich sagte ja schon, es ist nicht mehr erreichbar, dass die Ukraine ihre strategischen Ziele verwirklicht, Donbass erobern, die Russen aus dem Land treiben und die Krim erobern, das ist ausgeschlossen.

Die Frage ist also, welche Optionen gibt es?

Ich sehe drei, die erste Option ist die, dass dieser Krieg einfach weitergeführt wird so, wie er bisher geführt wurde mit immer weiterer Unterstützung, und da auch die Russen nicht an einer Besetzung der gesamten Ukraine interessiert sind, dass im Grunde innerhalb der Ukraine eine Zone entsteht, in der laufend Kampfhandlungen fortgeführt werden, aber es zu keiner Entscheidung kommt. Es könnte sogar sein, dass die Russen, wenn Sie den Donbass vollständig erobert haben, also diese drei Regionen LANs und jetzt und Saporischschja und Cherson, dass sie dann sagen, wir haben unsere Ziele erreicht und stellen die Kampfhandlungen ein.

Die Frage bleibt dann offen, was passiert mit Charkiw, werden sie Charkiw noch einnehmen, es hat eine hohe symbolische Bedeutung, oder auch Odessa, aber im Prinzip wäre das möglich.

Die zweite Option wäre die, dass es tatsächlich zu einer konventionellen Eskalation kommt, also der Westen verhindern will, dass es zu einem russischen Durchbruch kommt und dadurch zunächst mal die Nato-Staaten nationale Truppen in den Kampf schicken, dann aber, wenn diese vernichtet werden, was ja wahrscheinlich ist, in den Größenordnungen, von denen wir eben gesprochen haben, dann gesagt wird, nun müssen alle anderen eingreifen, die NATO insgesamt. Dann kommt es zu einem großen europäischen Krieg, darüber müssen wir uns im Klaren sein, dass er eben nicht auf die Ukraine beschränkt wird. Natürlich würde die Ukraine vollkommen zerstört die gesamte Ukraine würde ja Kriegsschauplatz werden, aber auch europäische Staaten würden in diesen Konflikt mit hineingezogen werden. Das ist eine Option, die ich für völlig ausgeschlossen halte für einen rational denkenden, einen verantwortungsbewussten Politiker, das wird ja auch immer betont.

Auch Bundeskanzler Scholz hat das immer wieder betont, das wollen wir nicht, aber es ist eben in einer Situation wie jetzt, in der diese Eskalation immer weiter fortschreitet, ganz schwierig an einer Stelle einzugreifen und zu sagen, hier stoppen wir die Eskalationsspirale. Ganz schwierig, weil jeder sagen wird, na ja, das ist vielleicht zu früh, aber vielleicht ist es eben auch zu spät, und das ist ein großes Risiko. Die dritte Option ist die, dass man sagt, Leute die Ukrainer können Ihre Ziele nicht mehr erreichen, wir, der Westen, haben alles getan, was wir tun konnten, irgendwann muss dann auch einmal Schluss sein, damit wir nicht alle in diesen Strudel hineingezogen werden und aus dem Krieg in der Ukraine dann ein Krieg um die Ukraine wird, das können wir nicht wollen und das bedeutet im Grunde genommen, dass man sich mit den Russen an einen Tisch setzen muss und man muss versuchen, einen Waffenstillstand zu erreichen, dem dann möglichst schnell eine Friedensverhandlung folgt.

Hier gibt es eine ganz interessante Entwicklung. Der russische Präsident hat ja bei seinem Besuch vor kurzem in China gesagt, der chinesische Vorschlag vom 24 Februar des vergangenen Jahres, der macht Sinn, der überzeugt uns und der chinesische Staatspräsident hat dann beim Besuch des Bundeskanzlers Scholz noch hinzugefügt, dazu kommen bestimmte Prinzipien und hat die dann auch ausgeführt, aber alles zusammengenommen ist dann noch einmal in der vergangenen Woche von Putin als ein vernünftiger Ansatz gewertet worden er hat das allerdings mit zwei Bedingungen verknüpft. Die eine Bedingung, die entstandenen Realitäten müssen anerkannt werden, das heißt, das, was die Russen bisher erobert haben, steht nicht mehr zur Disposition, und das zweite, das er gesagt hat, ist, es müssen nicht nur die Sicherheitsinteressen der einen Seite, sondern beider Seiten berücksichtigt werden. das ist

Eine durchaus vernünftige Ausgangsbasis für Verhandlungen und es kommt noch folgendes hinzu, wenn man sich genau anschaut, wohin die Amerikaner die Ukrainer sozusagen geschoben haben ist nämlich, dass sie in die strategische Defensive gehen nach dieser verlustreichen großen Offensive des vergangenen Jahres aus zwei Gründen, um die hohen personellen Verluste zu reduzieren und zweitens, um das Territorium, das noch unter ihrer Kontrolle ist zu halten, das bedeutet aber logischerweise, dass die Amerikaner sagen, jedenfalls vorerst für die vorhersehbare Zukunft könnt ihr die Gebiete, die die Russen besetzt haben, abschreiben.

Damit sind wir im Grunde auf amerikanischer und russischer Seite auf einer Ebene und es ist töricht, dass wir diese Gelegenheit nicht benutzen.


Köppel: Letzte Frage: Was glauben Sie, wie groß ist jetzt die Gefahr, dass aus einer sich vielleicht auch verselbständigenden Eskalation tatsächlich die Urkatastrophe des 21 Jahrhunderts folgen könnte? Wir haben das ja in anderen Kriegen gesehen.

Der Vietnamkrieg war so ein Beispiel, wie die Amerikaner zuerst mit Militärberaten, am Schluss mit Bodentruppen immer tiefer hineingezogen wurden und nicht mehr rauskamen. Man kann sich ja auch in einen Krieg hineinreden. Das, was mich so beunruhigt, ist die Entgrenzung des Vokabulars, die Enthemmung der Rhetorik vor allem auch auf der westlichen Seite.

Ich habe den Eindruck, dass die Russen sich eigentlich noch viel maßvoller und kontrollierter ausdrücken, auch die Risiken, die Gefahren, die Abgründe immer wieder benennen, während auf westlicher Seite die Alarmstufe Rot gewissermaßen beschworen wird bzw. eine Art grenzenloses Dämonisierungsvokabular, eine Verunglimpfung des Gegners stattfindet.

Daraus kann ja eigentlich nichts Gutes werden also diesen Worten ist ja wichtig, was man sagt. Aus Worten können Taten oder Waffenhandlungen werden, wie beurteilen

Sie das, wie gefährlich ist diese Situation im Moment, sind wir einem Dritten Weltkrieg so nah wie seit 1945 oder allerspätestens seit der Kubakrise nicht mehr?

 

Kujat: In den ersten Weltkrieg sind ja alle begeistert gezogen. Obwohl die Situation durchaus vergleichbar ist, der Auslöser war ja letztendlich die Bündnistreue Deutschlands zu Österreich.

Sie haben zurecht gesagt, der Erste Weltkrieg war die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts.

Den Zweiten Weltkrieg hätte es nicht gegeben, wenn es wenn es den ersten Weltkrieg nicht gegeben hätte, den Kalten Krieg hätte es auch nicht gegeben, die Teilung Europas hätte es auch nicht gegeben und viele Millionen Menschen hätten nicht ihr Leben verloren. Viele Länder wären ebenfalls nicht zerstört worden, wie es geschehen ist, dieser Krieg ist wirklich eine große Tragödie gewesen.

Den Zweiten Weltkrieg wollte die Bevölkerung eigentlich gar nicht, den wollten die Herrschenden haben, und das ist die Situation, in der wir heute auch sind.

Die ukrainische Bevölkerung will Frieden, sie will Verhandlungen, die Stimmungswerte für den ukrainischen Präsidenten sind runter bei 17%, es gibt erheblichen Widerstand in der Ukraine bezüglich der Maßnahme, dass Leute von der Straße her gewaltsam eingefangen werden und an die Front geschickt werden, das das sehen die Menschen natürlich auch, und in den meisten Familien ist es doch so, dass entweder der Vater, der Sohn oder der Schwager, irgendein Familienmitglied sein Leben bereits gelassen hat oder schwer verwundet wurde.

Der Krieg wird geführt über die Köpfe der ukrainischen Bevölkerung hinweg und ich habe den Eindruck, dass das auch im Westen der Fall ist.

Ich kann nur von Deutschland im Augenblick sprechen, aber wir haben eine große schweigende Mehrheit, aber ich merke das auch an den Reaktionen auf das, was ich sage, dass es viele Menschen umtreibt, wie wir uns mit diesem Krieg befassen.

Die Aggressivität der Sprache, ja die Dämonisierung von Putin und ähnliches mehr, man kommt ja immer sofort den Verdacht, man würde ein Putin-Freund oder Russland-Freund sein.

Nein, es geht darum, was ich vorhin sagte, was kommt danach, was folgt danach für uns, und es kann nicht sein, dass wir gegen die ukrainische Bevölkerung weiter einen Krieg unterstützen, der sich irgendwann auch gegen uns richtet, das kann und darf

nicht sein.

Hier muss die Regierung handeln und sie trauen sie vielleicht nicht

 

Köppel: Trauen sie den heutigen Regierungen in Deutschland, in Frankreich, in den USA zu, dass sie von diesem Schlachtross noch einmal herabsteigen können, oder müssen da vorher neue Regierungen kommen?

 

Kujat: Ich bin da sehr skeptisch und habe die ganz große Befürchtung, dass der Ukrainekrieg zur Urkatastrophe des 21 Jahrhunderts wird.

Hoffen wir, dass das nicht passiert, nicht zuletzt auch dank qualifizierter Stimmen wir unserer, dass man da immer wieder aufrüttelt.

Für mich ist es eine gute Nachricht, dass die Völker eben nicht diese Kriegsbegeisterung der Eliten teilen. aber man ist eben schneller drin, als man es geglaubt hätte.

 

Köppel: Ganz herzlichen Dank, Herr Kujat für diese Ausführungen, ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag trotz den etwas düsteren Ausblicken, die wir hier machen mussten. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben

 

Kujat: Herr Köppel, irgendwann setzt sich doch die Vernunft durch, das ist immer meine Hoffnung gewesen, vielleicht hat der liebe Gott Mitleid mit unseren Herrschenden und schüttet Geist aus von oben.

Putins Angebot: Warum verhandelt der Westen nicht über Frieden? | Possoch klärt | BR24

Eine BR-Produktion, auf YouTube zum Nachhören und Ansehen


Warum verhandelt der Westen nicht über Frieden?

Wladimir Putin will … Frieden! 

Glaubste nicht? Nun… 

Laut Kreml möchte der russische Präsident zumindest über eine Waffenruhe sprechen.

Und der Westen? Er reagiert nicht … Obwohl klar ist: Die Ukraine ist in der Defensive, versucht mit großer Mühe die aktuelle Frontlinie irgendwie zu halten.

Und das vor allem, weil der Westen eben nicht die Waffen liefern kann bzw. will, die die Ukraine nur ansatzweise wieder in eine Offensive Position befördern könnte.


„Ich erinnere mich an ein Gespräch von Donald Rumsfeld mit unserem Verteidigungsminister Struck,  wo er ihm damals sagte: Peter, wenn man in einer Grube sitzt, sollte man nicht graben. Tatsächlich sitzt der Westen in einer Grube, weil er hat es nicht hingekriegt, die Versorgung, Artillerie, Raketen, Luftverteidigung, all diese Dinge vernünftig auf die Reihe zu bekommen.“


Warum nimmt der Westen Putins Angebot zum Waffenstillstand nicht ernst? Alles nur eine russische Blendgranate oder doch die einzige Möglichkeit diesen Krieg endlich zu beenden? Jetzt!

Wann sollte man über Frieden verhandeln?

Wann trifft in einem Krieg der entscheidende, ja richtige Moment ein, dass beide Kriegsparteien sagen: 

Lass mal zumindest über einen Waffenstillstand reden, vielleicht ja dann auch über Frieden?

„Ich glaube auch, dass das die einzige Entwicklung ist, die Verhandlungen möglich machen könnte, 

zumindest über eine Waffenruhe, nämlich wenn beide Seiten erkennen: Es ist militärisch dieser Krieg 

nicht zu gewinnen und wenn beide militärischen Kräfte erschöpft sind und sich eben nicht mehr ausrechnen können, dass sie einen Sieg erzwingen können. Wenn diese Erschöpfungszustand eintritt, wenn der Stellungskrieg anhält und es kaum mehr Frontverschiebungen gibt, dann denke ich, kann es zur Bereitschaft von beiden Seiten kommen, zu verhandeln.“

Nur ist dieser Zeitpunkt im Ukraine-Krieg jetzt schon eingetroffen? 

Auf Seiten der Ukraine wurde in den vergangenen Monaten klar, dass die Puste langsam auszugehen droht, auch weil lange vom wichtigsten Verbündeten USA kein Geld mehr kam. Munitionsknappheit an allen Ecken und Enden, fehlendes militärisches Gerät und: Der Ukraine gehen die Soldaten aus.

Ja, mittlerweile fließt wieder das Geld aus den USA.

Die Munitionsversorgung stabilisiert sich langsam. Und im Westen werden weiterhin Pläne geschmiedet, 

Kann die Ukraine die Wende an der Front schaffen?

wie man die Ukraine wieder in eine bessere militärische Lage bringen könnte.

Aber: Dass die Ukraine in absehbarer Zeit das Ruder dann doch noch komplett rumreißen kann und sämtliche von Russland besetzten Gebiete zurückerobern kann, das ist mehr als fragwürdig. Denn: 

1. Der Krieg hat bisher gezeigt: Der Verteidiger ist klar im Vorteil. In Zeiten von Satelliten-Aufklärung, Drohnen und mächtiger Artillerie ist es für die verteidigende Seite deutlich leichter geworden, sich an den genau richtigen Stellen einzugraben, zu verschanzen und sich auf das vorzubereiten, was auf einen zugerollt kommt. 

Große Überraschungsangriffe als Game-Changer? Fast unmöglich. 

2. Nach über 2 Jahren Krieg ist der Westen sich immer noch uneinig, was die Ukraine denn überhaupt militärisch erreichen soll: Common Sense: Die Ukraine darf nicht verlieren. Aber darf sie denn auch mit Hilfe aller dafür benötigten militärischen Mittel gewinnen?

„Der Westen sagt zwar immer - diplomatisch natürlich notwendig - die Kriegsziele werden von der Ukraine entschieden. Aber tatsächlich ist es nicht so. Denn der Westen entscheidet mit der Art der Waffen, die er liefert und die er nicht liefert, und der Zahl der Waffen, die er liefert, wozu er die ukrainische Armee befähigt, was diese dann eben militärisch erreichen kann. Und da gibt es großen Dissens innerhalb des westlichen Lagers, was das sein soll. Das Maximalziel der Ukraine, nämlich alle russischen Truppen aus dem gesamten Gebiet der Ukraine zu 

vertreiben, oder doch ein moderateres Ziel, das hinauslaufen würde auf einen Waffenstillstand.“

Warum will Putin jetzt einen Waffenstillstand?

Auf der anderen Seite: Russland nagt sich aktuell Stückchen für Stückchen an der Front vor, erzielt unter großen Aufwand und Verlusten Geländegewinne, wenn auch nicht von kriegsentscheidender Tragweite. 

WARUM heißt es dann jetzt aber von Seiten des Kremls: „Waffenstillstand?!“

„Das, was Putin als Narrativ von sich gibt, ist im Grunde, dass er jetzt erst einmal Ruhe an der Front haben will. Das heißt also in seinen Abschnitten, die ihm von Bedeutung sind: Krim, Donbass, dort sicheres Gebiet haben will, das er jetzt als russisches Gebiet betrachtet und auch dort den Verbindungsabschnitt haben will. Von daher fragt er sich eben: 

Das muss ich ja jetzt nicht endlos weitermachen. Ich bin jetzt da, wo ich etwa sein möchte, teste ich doch mal den Wasserstand, ob die anderen mitmachen bei einem Waffenstillstand.“

Ist Russland in der Ukraine im Vorteil?

Nur: Russland hat auf Kriegswirtschaft umgestellt, seit neuestem einen Ökonomen als Verteidigungsminister. Dazu kann das Land auf deutlich mehr Soldaten zurückgreifen als die Ukraine, hat mittlerweile fast eine halbe Millionen Soldaten in der Ukraine im Einsatz…

Und, auch nicht ganz unwichtig: Russland hat technologisch auf dem Schlachtfeld aufgeholt. Und: 

Elon Musks Starlink-Satelliten, entscheidend für die Kommunikation und Orientierung der ukrainischen Armee, fallen immer häufiger aus.

Plus dazu: Die für die Ukraine so wichtigen HIMARS-Raketen treffen nicht mehr konsequent das Ziel.

Will Putin den Westen verunsichern?

Könnte dieses Angebot der Waffenruhe nicht doch nur ein Ablenkungsmanöver sein? Ein weiterer hybrider Angriff, also ein kommunikativer Schachzug, um den Westen zu verunsichern?

„Es wäre wirklich eigenartig, wenn Russland das Angebot einer Verhandlungslösung macht, in dem Moment, wo die russische Armee in der Offensive ist, die Frontlinie zu ihren Gunsten verändert. Das ist nicht der Moment, wo man eigentlich nach Verhandlungen ruft, das ist etwas, was er von einer Kriegspartei kommt, die in der Defensive ist. Also das legt einfach nahe, dass Russlands Angebot nicht ernst zu nehmen ist. Aber vor allem, was Russland sagt, nämlich dass Verhandlungen nur dann stattfinden können, wenn territoriale Zugeständnisse gemacht werden. Wenn, 

wie das formuliert wird in Russland, die Realitäten am Boden anerkannt werden, zeigt, dass es kein wirklicher Weg zur Verhandlungslösung ist, sondern wieder eben der Hang zum Diktatfrieden.“

Es war immer ein Kriegsziel Russlands, ukrainisches Gebiet zu erobern und in Russland einzugliedern. Das ist und bleibt auch Teil des Waffenstillstands-Angebot. 

Es war auch immer ein Ziel, die ukrainische Regierung rund um Präsident Wolodymyr Selenskyj auszutauschen. Und daran hat sich auch heute immer noch nichts geändert. So heißt es von Seiten des Kremls: Wenn man verhandelt, dann nicht mit Selenskyj. Putin muss ja auch einen möglichen Deal mit dem Westen ja dann auch als Sieg verkaufen können. 

Was würde ein Waffenstillstand für den Westen bedeuten?

Nur was würde ein Waffenstillstand, so wie Russland ihn möchte, für den Westen bedeuten?

„Eine Waffenruhe entlang der gegenwärtigen Frontlinie wird bedeuten, dass Russland zwar nicht de jure, aber de facto Kontrolle über besetztes ukrainisches Gebiet ausübt und seine Herrschaft dort konsolidieren kann. Das wäre natürlich ein Glaubwürdigkeitsverlust für den Westen. Und es wäre auch ein fatales Signal für die internationale Ordnung, wenn der Aggressor eben Gewinne erzielt durch seine Aggression, wenn Aggression sich dann offenbar lohnt. Also das wäre sicherlich politisch und rechtlich schwer zu verkraften. Aber sicherlich stemmbar. Es ist nur so. Es wird in einem solchen Fall jedenfalls notwendig sein, die Ukraine weiter militärisch, 

wirtschaftlich und finanziell zu unterstützen. Denn ein Risiko einer Waffenruhe ist ja, dass beide Kriegsparteien diese Ruhe nutzen, um ihre eigenen Streitkräfte zu reorganisieren, besser auszustatten und dann die Kampfhandlungen erneut zu beginnen.“

Wie lange hält Russland noch durch?

Butter bei die Fische: Sogar Russland könnte eine Waffenruhe aktuell ganz gut tun. 

Auch wenn es perspektivisch genügend russische Soldaten und billige Kampfdrohnen gibt… Für einen Eroberungskrieg im 21. Jahrhundert braucht es mehr. Und Russland kann einen solchen Krieg nicht endlos führen. Zumal die EU ab Ende 2025 die Ukraine militärisch wieder deutlich mehr unterstützen kann und selbst ein in 2025 potentiell neuer US-Präsident Donald Trump jüngst zugab, dass das Überleben der Ukraine für die USA wichtig sei.

Also auch Russland hat Gründe zu sagen: Vielleicht täte uns eine Waffenruhe mal ganz gut.

Nur, wenn es zu einer Waffenruhe käme: Wer könnte dann garantieren, dass Russland die Zeit 

Wer könnte der Ukraine Sicherheit garantieren?

nicht nutzt und in ein paar Jahren gestärkt die gesamte Ukraine militärisch unterwerfen möchte?

„Eine solche Sicherheitsgarantie wäre nur die Bündnisgarantie der Nato. Aber genau deswegen gibt es in der Nato keinen Konsens, der Ukraine die Aufnahme zu ermöglichen und damit eine solche glaubwürdige Sicherheitsgarantie zu geben. Der Punkt ist einfach, es gibt in der Nato nicht einen Konsens, notfalls gegen Russland kämpfen zu sollen und zu müssen. 

Und solange das der Fall bleibt, bleibt auch eine Waffenruhe für die ukrainische Seite prekär.“

Dass Deutschland als Sicherheitsgarant der Ukraine bereit wäre, einen Bruch der Waffenruhe von russischer Seite aus mit eigenen Truppen zu vergelten… Nicht vorstellbar.

Also wie oder wer könnte da endlich mal seine 5 Cent in den Ring werfen und sagen: 

Mit uns als Garanten gibt es keinen Krieg mehr in der Ukraine! ?

„Da kommen auch andere Staaten in Frage: Türkei, China, Indien… Man wird da gucken müssen, denn eine USA dort jetzt an der Grenze Russlands als Sicherheitsgaranten für die Ukraine. Ich glaube, das gibt in keinem Fall eine denkbare Lösung, noch nicht mal für den Waffenstillstand, also die USA, werden sich da ein Stück weit zurücknehmen müssen.“

Westliche Friedensverhandlungen erfolgsversprechend?

Klar ist, man wird und muss auch im Westen über einen möglichen Frieden in der Ukraine weiter diskutieren, ob man jetzt Putins Angebot zur Waffenruhe ernst nehmen möchte oder nicht. Allein schon, damit eine mögliche Desinformation-Strategie Russlands nicht aufgeht: Also dass der Eindruck entsteht, im Westen wolle man keinen Frieden, keine Lösung für die Ukraine erarbeiten.

Mitte Juni soll es in der Schweiz eine Friedenskonferenz für die Ukraine geben.  80 Staaten, 160 Delegationen, mehrere G7-Staats- und Regierungschefs sollen da teilnehmen. 

ABER: Kein Joe Biden, keine Kamala Harris, kein Xi Jinping und vor allem auch niemand aus Russland.

Also Erfolgschancen eher gering… Auch weil hier der Eindruck entstehen kann, 

Kann man mit Putin noch verhandeln?

dass man mit einem Kriegsverbrecher wie Putin eigentlich gar nicht mehr verhandeln möchte?

„Frieden muss man eben auch mit Feinden schließen können, auch mit absolut widerwärtigen Feinden, wie es eben die russische Führung im Augenblick ist. Man kann sich nicht aussuchen, wie man einen Konflikt regeln soll und kann. Wenn man den Eindruck erweckt, dass man eben die andere Seite nicht als legitimen Gesprächspartner anerkennt, dann ist eben jede Verhandlungslösung, und sei es auch nur über eine Waffenruhe, nicht erreichbar. Also diesen Schritt zu setzen, auch mit der russischen Führung zu verhandeln. Es muss er nicht mit Putin persönlich sein. Dieser Schritt ist sicherlich unbedingt notwendig. Aber ich denke, die Mehrheit der westlichen Staaten, das betrifft vor allem die Osteuropäer, für die skandinavischen Staaten, das trifft für Britannien zu, ist absolut nicht bereit, mit einer russischen Delegation über eine Waffenruhe zu verhandeln.“

Auch weil die Gefahr besteht, dass man mit einer Waffenruhe dann eben doch Putin in die Karten spielt?

Unser Hauptthema ist nicht, was Putin genehm ist oder nicht, sondern wir müssen schauen, was der Ukraine und uns genehm ist oder nicht. Braucht die Ukraine jetzt Zeit? Ja, sie ist dabei zu implodieren. Die Front bröckelt. Die Wirtschaft ist nicht da. Die Menschen fehlen. 

Die Ukraine braucht Zeit. Brauchen wir Zeit? Ja, unsere ganze Rüstungsindustrie, die er jetzt liefern soll, wird in den Jahren 2027, 2028 erst liefern können. Also wir brauchen Zeit, die Ukraine braucht Zeit. Und was Putin will, wäre mir wurscht. Ich würde erst mal gucken, dass wir uns selbst unseren Hintern hochkriegen und selbst richtig dastehen.“

Es ist und bleibt ein Schachspiel auf allerhöchstem Niveau. Will Putin wirklich eine Waffenruhe, ja sogar Frieden? Wenn ja, zu welchem Zweck? Um weiter hochzurüsten und eines Tages mit einem stärkeren Militär die Ukraine doch noch vollständig zu erobern? Oder will er den Westen mit dieser Diskussion weiter verunsichern, vielleicht sogar davon ablenken, dass er diesen Krieg nicht endlos lange führen kann? Soll der Westen trotz all dem doch wieder mehr diplomatische Beziehungen mit Russland aufbauen, versuchen einen Waffenstillstand herzustellen? 

Die Ukraine erleidet tagtäglich große Verluste, auch in der zivilen Bevölkerung. Aber allein nur deswegen, weil Russlands Präsident Wladimir Putin den Befehl dazu gibt und die Ukraine sich nach wie vor nicht wehrlos ihrem Schicksal ergeben möchte. Wie siehst Du es? Sollte man Putins Waffenruhe-Angebot ernst nehmen? Kommentare, Like, Abo, kennste. Merci  und ich seh Dich gesund im nächsten Video! Waffenstillstand herzustellen? Die Ukraine erleidet tagtäglich große Verluste, auch in der zivilen Bevölkerung. Aber allein nur deswegen, weil Russlands Präsident Wladimir Putin den Befehl dazu gibt und die Ukraine sich nach wie vor nicht wehrlos ihrem Schicksal ergeben möchte. Merci und ich seh Dich gesund im nächsten Video!

Eine Analyse eines BR-Berichts und eines Live-Interviews vom 21.05.24, BR24 Rundschau

von Ralf Eger


Die BR-Berichterstattung zum Gaza-Krieg empfinde ich seit langem als sehr einseitig. Dass Deutschland ein besonderes Verhältnis zu Israel hat, muss nicht näher erklärt werden. Dennoch hätte der BR die Pflicht, auch über den Gaza-Krieg möglichst neutral zu berichten. Ich möchte nun den ersten BR-Bericht und ein damit verknüpftes Interview zur jüngsten Entwicklung, die vom Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan, beantragten Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant, unter dem Aspekt betrachten, inwieweit der BR hierbei seinem Programmauftrag einer neutralen Berichterstattung nachkommt. 

Ausgestrahlt wurde dieser Bericht und die Live-Zuschaltung am 21.05. in der um 18:30 Uhr-Ausgabe der BR24 Rundschau.

Es liegt mir fern, die journalistischen KollegInnen, die den Beitrag erstellt und am Interview beteiligt waren, kritisieren zu wollen. Ich gehe davon aus, dass dieser Beitrag und die gestellten Interviewfragen so von der Redaktion in Auftrag gegeben und genau in dieser Art gewünscht wurden. Wäre dem nicht so, hätte sich die inhaltliche Machart der Beiträge im Laufe der letzten Monate verändert, was ich nicht erkennen kann.

 

Hier zunächst der wortgenaue Inhalt des Fernsehbeitrags und des Interviews:

„Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Führer Sinwara beantragt“, der am 20.05. in der Rundschau mit einem anschließenden Interview gezeigt wurde.

(Bericht und Interview zusammen 2 Min 55 Sek)

 

Der Beitrag:

 

Es geht um den Vorwurf von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel und dem seitdem andauernden Krieg im Gazastreifen. Sowohl Israels Präsident Netanjahu und Verteidigungsminister Galant als auch drei hochrangige Hamas-Führer seien für Verbrechen in diesem Zusammenhang verantwortlich, so der Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof, Auf seine Vorwürfe reagierte das israelische Parlament empört. (Originalzitat Amir Ohana, Sprecher der Knesset) „Der internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat der Welt bewiesen, dass er nicht legitim ist. Eine Institution, die nicht in der Lage ist, zwischen dem Angreifer und dem Verteidiger zu unterscheiden, zwischen einer Demokratie, die die Menschenrechte respektiert und einer mörderischen Terrororganisation, so eine Organisation ist eine Gefahr für die Menschheit.“

Ob die beantragten Haftbefehle erlassen werden, müssen nun die Richter des internationalen Strafgerichtshofs entscheiden.

Sollten sie dem Antrag des Anklägers zustimmen, gäbe es zwar keinerlei Möglichkeit der direkten Vollstreckung, die Bewegungsfreiheit der Betroffenen wäre jedoch deutlich eingeschränkt.

 

Das Interview:

 

Rundschaumoderatorin: „Wir schalten nach Tel Aviv zu unserer Korrespondentin. Wir haben gerade eine erste Reaktion aus der Knesset gehört, haben denn Netanjahu und sein Umfeld schon reagiert auf die Ankündigung aus Den Haag?“

Israel-Korrespondentin: „Ja, in Israel zeigt man sich sehr empört, die Kritik richtet sich vor allen Dingen darauf, dass die Hamas und Israel, die israelische Führung hier im gleichen Atemzug erwähnt werden, das zeuge von moralischer Blindheit, sagt zum Beispiel Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett von Netanjahu. Er entgegnet, man führe einen moralischen Krieg, einen Krieg zur Selbstverteidigung, den man auch so weiterführen werde, und genau das sagt auch Premierminister Netanjahu. Auch er nannte das ganze eine große Empörung und man werde weitermachen, es werde Israel nicht davon abbringen, diesen Krieg so weiterzuführen, wie Israel ihn führt.“

Rundschaumoderatorin: „Aber Gantz hat ja gestern Netanjahu ein Ultimatum gestellt für einen Kurswechsel im Gazakrieg, nun ist Netanjahu unter enormem Druck, was bedeutet diese neue Entwicklung für sein Verfallsdatum im Amt?“

Israelkorrespondentin:

„Die Frage ist ja, ob dieser Haftbefehl nun wirklich ausgestellt wird, das müssen die Richter in Den Haag noch entscheiden, und das hätte natürlich für ihn die Konsequenz, dass seine Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt sein würde, aber auch da ist die Frage, welche Länder würden das tatsächlich umsetzen, würden dem tatsächlich folgen? In jedem Fall steigt natürlich der Druck auf Netanjahu, er würde weiter isoliert werden und dann eben in einer Reihe stehen etwa mit einem Putin, gegen den auch ein Haftbefehl erlassen wurde zu Beginn des Ukrainekrieges.“

 

Eine kurze Analyse des Beitrags:


Der Sachverhalt wird in 23 Sekunden in zwei Sätzen kurz umrissen.

Daraufhin 27 Sekunden lang der Sprecher der Knesset, der den Internationalen Strafgerichtshof delegitimiert und als Gefahr für die Menschheit bezeichnet.

7 Sek lang wird festgestellt, dass die Richter noch über den Haftbefehl entscheiden müssen, die letzten 10 Sek wird erklärt, dass die Konsequenz für die Beteiligten die Beschränkung der Bewegungsfreiheit wäre.

 

Im Interview wird ein weiteres Mal ausführlich auf die Entrüstung in Israel eingegangen und im Anschluss wiederholt, was im Bericht bereits gesagt wurde, nämlich dass der Haftbefehl noch ausgestellt werden muss und dadurch die Bewegungsfreiheit eingeschränkt würde, wobei noch die Frage gestellt wird, welche Länder diesen überhaupt umsetzen würden.

 

Fazit:

Dieser Bericht samt anschließendem Interview erscheint als Erstinformation nicht geeignet.

Die zentrale Information, welche konkreten Vorwürfe den beantragten Haftbefehlen gegen Netanjahu und Gallant zu Grunde liegen, wird dem Zuschauer vorenthalten.

Er „erfährt“ stattdessen über den Knesset-Sprecher, dass der Internationale Strafgerichtshof nicht legitim ist und eine Gefahr für die Menschheit darstellt. Dies nicht als Zitat in indirekter Rede, sondern in direkter Rede. Diese Aussage wird nicht durch eine zweite Gegenmeinung entkräftet und damit inhaltlich nicht angezweifelt.

Der Bericht geht lang auf die Reaktion des Sprechers der Knesset ein, die Israel-Korrespondentin schildert ebenso lang, wie Israel und 2 israelische Politiker reagieren, der bayerische Zuschauer erfährt jedoch nichts über die Reaktion der deutschen Bundesregierung und der im Bundestag vertretenen Parteien.

Sowohl im Bericht als auch im Interview wird die moralische Dimension dieses Falls völlig ausgeblendet, die Konsequenzen für die Betroffenen werden auf eine mögliche Bewegungseinschränkung reduziert, wobei im Interview auch dieses in Frage gestellt wird. Dass am Ende des Interviews noch gesagt wird, Netanjahu stünde im Fall einer Bestätigung der Haftbefehle in einer Reihe mit Putin, dürfte im Kontext dieses Interviews und des vorgeschalteten Beitrags bei den meisten Zuschauern eher bewirken, diese Gleichsetzung abzulehnen, handelt es sich doch bei Russland um eine Autokratie und bei Israel um eine lupenreine Demokratie.

Unser Programmauftrag einer neutralen Nachrichtenberichterstattung dürfte damit wohl nicht erfüllt worden sein.


Schreibt uns gern, wenn Ihr mitdiskutieren wollt:

Schreib uns und diskutiere mit

Nichtberichterstattung aktueller Corona-Studienergebnisse


Es gibt einen sehr interessanten MDR-Podcast, in dem der Virologe Alexander Kekulé die Ergebnisse zweier neuer Studien vorstellt, über die meiner Meinung nach unbedingt sofort und ausführlich auch im BR hätte berichtet werden müssen.

Schließlich geht es um die Fragestellung, ob Booster-Impfungen mit mRNA- Impfstoffen für junge und gesunde Menschen überhaupt etwas bewirken.

Über diese neuen Studienergebnisse hat der BR bis jetzt aber, so weit ich weiß, noch nicht berichtet.


Als zweites verweisen wir auf den im Magazin Cicero erschienenen Beitrag:

"Das Lügengebäude bröckelt", der über folgenden Link zu erreichen ist:

https://www.cicero.de/kultur/corona-aufarbeitung-labortheorie-wiesendanger

Auch die in diesem Beitrag angesprochenen Themen kann man in unseren Programmen nicht finden.

Hier die Transkription dieses aktuellen MDR-Podcasts ab Minute 40
(Die ersten 40 Minuten sind ebenfalls interessant, beziehen sich aber nicht auf die beiden aktuellen Studien)


Kekulés Gesundheitskompass (seit 24.05.2024 auf Youtube)
Corona-Update: "Pfizergate" und "FLiRT"-Variante   Podcast Kekulés Gesundheits-Kompass   MDR


Jan Kröger im Gespräch mit dem Virologen Alexander S. Kekule


Zum Podcast:

https://youtu.be/MOfESESFfUc?si=SABp1HPrSB2dPN6F

Links zu den beiden im Podcast genannten Studien:

Niederländische Studie: Warum bivalente Booster weniger gut gegen aktuelle Varianten wirken - Original COVID-19 priming regimen impacts the immunogenicity of bivalent BA.1 and BA.5 boosters | Nature Communications

Chinesische Studie (Preprint): Immunologische Prägung durch mRNA-Impfstoffe - Omikron-spezifische naive B-Zell-Reifung lindert Immunprägung, die durch den inaktivierten SARS-CoV-2-Impfstoff induziert wird | bioRxiv


Kekulé: Das eine ist eine ganz interessante Studie zum 18.05. von der Erasmus-Universität in Rotterdam, da sind viele sehr exponierte, renommierte Virologen, Marion Koopmans, z.B., die eine der SpitzenvirologInnen im Coronavirusgebiet ist, kann man sagen, und mehrere andere beteiligt gewesen. Die haben etwas relativ Simples gemacht, die haben mal versucht herauszubekommen, wie verändern sich die Antikörper, wie steigen die Antikörper an, wenn ich verschiedene Booster-Verfahren habe, also verschiedene Zweit- und Drittimpfungen. Da hat sich kurz gesagt gezeigt, dass die RNA-Impfstoffe, wenn sie mit dieser Kombination boostern, die wir eine ganze Zeit lang hatten, nämlich ein bivalenter Impfstoff aus Wuhan-Virus und den neuen Varianten, damals BA.4/5, dass man, wenn man mit dieser Kombination boostert, zwar einen Anstieg von Antikörpern kriegt, dass aber diese Antikörper tendenziell nicht gut neutralisieren. Sie haben dann zwar Immunglobuline, IgG sagt man , solche Antikörper, die sind im Prinzip gegen das Virus gerichtet, auch gegen das S-Protein, gegen das Spike-Protein von dem Virus gerichtet, aber sie binden nicht an diese Stelle, die das Virus braucht, um anzudocken an die Zielzelle, diese Rezeptorbindungsdomäne, sondern sie binden irgendwo anders oder sie binden zu schwach an an diese Rezeptorbindungsdomäne, das heißt, sie haben dann Antikörper, die Ihnen nichts bringen.

Was man da letztlich sieht ist, dass ein Schadeffekt ausgegangen ist von der Erstimpfung, weil die Erstimpfung hat man ja noch gemacht weltweit, da gabs nichts anderes, mit diesem Wuhan-Impfstoff, das war fast genau der Protovirus, ein früher Typ, der entstanden ist in der Pandemie, der heißt immer Wuhan-Impfstoff, der hat aber auch schon diese Anpassung gehabt, die man in Norditalien gesehen hat, die dann zu dieser besonderen Ausbreitungsfähigkeit des Virus geführt hat, und dieser Urtyp des Impfstoffs war für viele Menschen einfach der immunologische Erstkontakt mit diesem Virus oder einem Teil dieses Virus, und darauf schießt sich das Immunsystem dann ein.

Wir nennen das Antigensünde.Der erste Kontakt ist so, dass das Immunsystem da am meisten noch beeindruckt ist von dieser Sache und sich dann das merkt ein Leben lang. Man sagt dann auch immunologische Prägung dazu.

Diese Prägung führt dazu, und das ist in dieser Studie noch einmal gezeigt worden, wenn sie später noch etwas dazumischen wie BR5, also eine Omikron-Variante, dann kriegen sie gegen Omikron, worum es dann ja eigentlich ging, also die neue Variante, dann kriegen sie dagegen keine neuen Zellen, die Antikörper produzieren. Die B-Zellklone werden nicht neu generiert oder nur ganz wenige neu generiert, stattdessen werden nur die alten Antikörper produzierenden Zellen besonders stark stimuliert. Diese starke Stimulation führt dann eher dazu, dass sie Antikörper produzieren, die gar nicht mehr richtig wirken oder sogar dämpfende Wirkung haben.

Wir haben einmal gesprochen von diesem Switch zum IgG4, dass also das Immunglobulin, wenn das Immunsystem überstimuliert wird, irgendwann eine Eigenschaft hat, dass es bremst, also dass dann praktisch so Attrappenglobule produziert werden, die heißen dann IgG4, die verhindern eine Überreaktion des Immunsystems. Diesen Effekt haben sie klar gezeigt, wenn man mit dieser bivalente Vaccine boostert und sagen deshalb: Man muss in Zukunft erstens genau überlegen, wie man die Erstimpfungen macht, dass man da keine Antigensünde fabriziert, die dann die Immunantwort gegen spätere Varianten schwieriger macht und es ist zweitens keine gute Idee gewesen, dass man diese bivalenten Vaccine eine Zeitlang hatte,

man hatte nämlich eine Mischung aus dem Wuhan-Impfstoff und dem BR 4/BR5, so dass man sagen kann, dass wir heute eigentlich ein bisschen im Schatten des Virus und der Impfungen der ersten Stunden leben. Das Gleiche gilt auch für eine Infektion, es ist nicht so, dass das jetzt nur, für die Impfgegner muss ich ein bisschen Essig in den Wein schenken an der Stelle, es ist so, wenn sie eine Infektion mit dem ursprünglichen Virus hatten, ist der gleiche Effekt oder vielleicht sogar noch stärkerer Effekt als bei der Impfung, das dämpft die Bildung von brauchbaren Antikörpern gegen Omikron.


Kröger: Die Infektion können sie nicht vermeiden, das ist Schicksal, aber bei der Impfung muss man eben sagen, die Autoren sagen ganz klar, es ist richtig für die Zukunft, wenn man weiter impft, monovalente Impfstoffe zu verwenden, die nur den an das jeweilige Jahr angepasste Omikron-Subtyp haben in der Hoffnung, dass man dann irgendwann das Immunsystem wieder in Gang bekommt, dass es dann doch wieder die Flexibilität hat, speziell Antikörper gegen Omikron zu machen.

Nun haben Sie schon diese niederländische Studie erwähnt, ich hatte ja schon gesagt, wir besprechen zwei Studien, die andere ist ein Preprint aus China, und auch dort geht es im Grunde um diese immunologische Prägung. Was haben die Forscher dort herausgefunden?


Kekulé: Das ist, wenn man so will, fast schon der fließende Anschluss. Bei einem Preprint muss man immer ein bisschen aufpassen, das ist noch nicht wissenschaftlich begutachtet worden, aber das ist die Arbeitsgruppe von Dr. Richard Kao, ein Chinese, der vorher in Harvard war und weltweit voll akzeptiert ist. Ich halte sehr viel von ihm und seinen Arbeiten. Das ist nicht etwas, wo man zweifeln muss, weil es aus China kommt, um es einmal offen so zu sagen.

Die haben etwas ganz witziges gemacht, kann sich der Hörer an dieser Stelle überlegen. Wenn man sagt, der Impfstoff, gerade der RNA-Impfstoff, die ja hinterher in großém Stil verwendet wurden, hat möglicherweise das Immunsystem zu sehr eingeschossen auf den ursprünglichen Typ.

In China haben sie ja diese Impfstoffe nicht gehabt, ich glaube, sie haben bis heute keine brauchbaren RNA-Impfstoffe gegen SarsCop2, sondern sie hatten diese chinesischen Impfstoffe, Coronavac, Sinovac und wie die so hießen, und die waren ja inaktivierte Viren, das war ja das ganz alte Prinzip, dass man so ein Virus anzüchtet und es deaktiviert mit irgendeiner Methode, da gibt es chemische oder andere Methoden, und dieses tote Virus dann als Impfstoff verwendet.

So ähnlich, wie man Pockenimpfungen schon immer gemacht hat, ist ja bekanntlich auch Made in China ursprünglich ist.

Diese inaktivierte Impfung hat den Nachteil gehabt, dass sie nicht so effektiv war, der immunologische Stimulus, wenn man so einen Atemwegsvirus in den Muskel spritzt, ist einfach nicht stark genug gewesen, sodass die neutralisierenden Antikörper, die man gemessen hat, ganz grob immer Faktor 10 unter dessen war, was man mit den NRA-Impfstoffen gemessen hat.

Von der Wirksamkeit der Impfung, und das hat man ja auch in China gesehen, als dann die ganzen Schutzmaßnahmen aufgehoben wurden und es Abermillionen von Infektionen gab. Diese Wirksamkeit der Impfstoffe war leider nicht sehr gut, muss man ganz klar sagen.

Aber, und das hat der Richard Karo an der Stelle eigentlich pfiffig aufgespießt, der hat gesagt, was ist eigentlich mit dieser immunologischen Prägung, wenn man jetzt so einen inaktivierten Impfstoff anstelle eines RNA-Impfstoffs nimmt, also das schwache statt das starke Zeug.

Da hat er tatsächlich, um es kurz zu machen, anhand einer relativ großen Zahl an Probanden, die hatten insgesamt um die 100 Probanden bei denen sie bei jedem einzelnen das Blut untersucht haben, die unterschiedliche Zeiträume nach der Impfung mit diesem chinesischen inaktivierten Impfstoffen, haben sie festgestellt, dass dieses Phänomen der Prägung der Anti-Gensünde viel, viel schwächer ist, also fast nicht auftritt, oder anders herum gesagt, wenn man die stimuliert, die eine Durchbruch-Situation haben mit Omikron, es gibt ja viele, die haben noch eine Omikroninfektion gekriegt, stellt man fest, dass bei denen im Gegensatz zu Leuten, die mit RNA-Impfstoffen geimpft wurden, plötzlich neue Klone von B-Zellen entstanden sind, die auch die ganzen Eigenschaften frischer Antikörper haben. Ich will das jetzt nicht genau erklären, aber da gibt es verschiedene Eigenschaften, woran man erkennt, dass das ganz neue Antikörper sind, die von neugebildeten B-Zellen gemacht wurden und die wirklich sehr wirksam und stark neutralisierend sind und das Gegenteil dieser EGG 4 Alters-Antikörpern sind, wenn man so will. Genau diese Immunreaktion kriegt man dann noch, da hat man dann dann nicht so viel geprägt, geprimt, die Prägung war schwächer, und die Flexibilität des Immunsystems ist nach wie vor noch vorhanden. Was bedeutet das: Irgendetwas passiert bei den RNA-Impfstoffen, was diese Prägung besonders stark macht. Damit ist die Schutzwirkung offensichtlich besser, das würde ich schon mal so formulieren, und wenn man es mit einer Erkrankung zu tun hat, wo es um Leben und Tod geht, Ebola und so, da würde ich immer den starken Impfstoff nehmen, der mein Leben rettet.

Aber hier haben wir ja eine besondere Situation. Diese Atemwegserreger sind ja so, dass sie alle Jahre wiederkommen, sie machen die Menschen immer wieder krank, unser Immunsystem passt sich so ein bisschen an, natürlicher Weise eben auch nicht mit komplett schützenden Antikörpern, sonst würden wir das ja auch nur einmal in unserem Leben kriegen wie Masern oder Mumps, sondern wir kriegen das alle Jahre wieder, weil unser Immunsystem so ein bisschen was macht, dann ändert sich das Virus ein bisschen, und man wird ein bisschen krank, ein bisschen Erkältung, Schnupfen, ein paar Tage krank, das ist die meiste Zeit des Lebens ein lästiges, aber erträgliches Spiel. Möglicherweise ist das, was wir mit den RNA-Impfstoffen machen, mit Kanonenkugeln auf Spatzen schießen, was Nachteile haben könnte.

Der eine ganz offensichtliche, der auch von dieser Arbeitsgruppe aus China diskutiert wird, dass die so stark immunisieren, dass dadurch die Immunantwort eben sehr stark geprägt wird für den ursprünglich immunisierenden Typ und man dadurch weniger Chancen hat, bei einer Infektion mit einem ähnlichen, anderen Virustyp dagegen neue B-Zellen zu produzieren, die neue Antikörper machen. Also einfach die Stärke der Immunreaktion.

Die andere Erklärung, die in dem Paper nicht steht, die ich aber leider noch hinzufügen muss, ist: Wir wissen ja auch, dass die RNA-Impfstoffe relativ lange im Körper bleiben und dass sie zum Teil in den Reaktionszentren der Lymphknoten relativ lange noch zu Reaktionen führen. Keiner weiß genau warum, man weiß auch nicht, wie häufig das ist, aber diese Langzeitstimulation kann

natürlich auch dazu beitragen, dass man eine immunologische Prägung hat auf den Typ, den man ursprünglich beim ersten Mal gesehen hat.

Ich bin wirklich der Meinung, wir müssen verstehen, warum die RNA-Impfstoffe diese starke immunologische Prägung machen, bevor wir anfangen, im großen Stil insbesondere Kinder zu impfen.

Das ist ja gerade die Diskussion, zur einen, was ist mit der Impfung von Kindern in Zukunft? Weltweit wird das ja auch gemacht. Bei uns die STIKO hat das nicht empfohlen, wurde dafür auch von Amerikanern und anderen kritisiert, aber das ist die Frage, will man in Zukunft solche RNA-Impfstoffe verwenden, um ganze Generationen durch zu immunisieren, und das zweite, das man fragen muss, was macht man mit kombinierten Impfstoffen?

Soll man jetzt diese RNA-Impfstoffe als universelle Impfstoffe gegen alles mögliche einsetzen oder soll man erst die Wirkmechanismen genauer untersuchen?


Kröger: Das ist auch die Frage, mit der ich unsere heutige Folge abschließen möchte.

Mit dieser immunologischen Prägung haben Sie jetzt noch einen weiteren Punkt ins Spiel gebracht, der in die Zukunft verweist, wie wir in Zukunft mit diesem Impfstoff weiter verfahren.

Die Zeit der großen Impfkampagnen gegen Corona ist ja vorbei, insofern ist ja kein schlechter Zeitpunkt, in Ruhe darüber nachzudenken. Ich nehme jetzt einmal mal als Grundlage das, was die WHO empfohlen hat. Die empfiehlt, gegen die anfangs erwähnte JN1 Variante die künftigen Vaccine zu entwickeln. Ist das immer noch der bestmögliche Weg, weil wir es gerade nicht besser wissen zur Zeit, oder würden Sie sich doch wünschen, dass da der Blick doch etwas weiter geht?


Kekulé: Wenn man speziell auf SarsCop2 guckt, da ist es so, das ist inzwischen fast ein neues Virus, ich hab das mal spaßeshalber als SarsCop3 bezeichnet, nämlich diese Omikron Sub-Varianten, und ha haben sich die Nachfolger von BR 2 durchgesetzt, wie auch immer die heißen, und da ist es so, es ist möglich, gegen JN1 zu impfen, das ist eine BA2-Untervariante, die auch bei uns in Deutschland, meine ich, noch dominant ist, das ist bei uns so die häufigste Variante, ich glaube, wir haben fast 60 % JN1 und seine Sublinien im Moment, und davon die Nachfahren von JN1 sind eben KP 2 KP 1.1.. gibt’s auch noch, das sind diese Sars-Varianten, die spaßeshalber als Flirt-Varianten bezeichnet bezeichnet wurden.

JN1, was die WHO empfohlen hat, schützt auch gegen die KP-Varianten, das heißt, dass man da sinnvoll impfen kann, wenn man im Herbst KP erwartet. Die amerikanische CDC, die Gesundheitsbehörde der USA, die jetzt um diese Zeit normaler Weise die Empfehlungen für die Herbstimpfung herausgeben würde, hat ihre Entscheidung, glaube ich, noch einmal um ein- zwei Monate vertagt, die wollen sich Ende Juni festlegen, weil sie gesagt haben, es ist noch nicht absehbar, was da im Herbst kommt. In den USA werden die Abwasser sehr genau untersucht, es gibt auch viel mehr Sequenzdaten als bei uns, also wo man die ganzen Mutationen genauer untersucht, und man wird dann anhand dieser Empfehlungen aussprechen für die USA. Ich schätze, es wird bei dieser JN1 bleiben, weil es die sogenannten Flirt-Varianten auch mit abdeckt. Wenn nichts Neues kommt, wird es dabei bleiben.

JN1 ist eine gute Wette, wenn man so sagen darf, und irgendwie ist es immer eine Wette, wenn man im Frühjahr sagt, was man im Herbst impfen soll.

Das ist bei Influenza das gleiche Problem, zumal man nicht immer auf der ganzen Welt die gleichen Varianten dominant hat.

Die Frage ist auch, wen soll man impfen, und da meine ich, ist es eine gute Idee, jetzt erst mal wirklich nur auf die Risikogruppen zu gehen. Inzwischen wissen wir ja ziemlich genau, welche Menschen von der Impfung profitieren, und da muss man hoffen, dass man durch diese weiteren Impfungen mit Omikron-Subvarianten, obwohl die immunologisch geprägt sind, die Leute wurden ja zum Teil 5 Mal geimpft mit dem ursprünglichen Impfstoff und haben sich damit richtig, wenn man so will, festgelegt auf einen Typ, also diese Antigensünde die ist bei denen tiefst eingegraben, aber man kann natürlich hoffen, dass mit durch weitere Impfungen durch die Jahre weg, sozusagen: Steter Tropfen höhlt den Stein, nach und nach wieder ein bisschen Flexibilität in das Immunsystem hineinbringt, dass da auch die Antwort gegen Omikron besser wird und deshalb meine ich, weil man diesen Leuten nicht empfehlen kann, sich ständig mit Omikron zu infizieren, ist es schon sinnvoll, die alle Jahre wieder zu impfen mit dem jeweils angepassten Impfstoff, aber meine Betonung ist, das betrifft wirklich wirklich eine kleine Gruppe der Hochrisikopatienten.

Zunehmend ist es so, dass auch international viele Kollegen das so sehen.

Warum ist das wichtig für die weitere Entwicklung: Weil das natürlich für die Pharmafirmen ganz mies ist. Wenn sie eine Impfung haben, die nur noch ganz spezielle Gruppen brauchen, dann müssen sie sich nach einem neuen Geschäftsfeld umsehen. Na gut, sie haben ja auch genug verdient, kann man jetzt auch sagen, das Feld ist abgekratzt, wir machen jetzt mal was Neues. Die neuen Geschäftsfelder müssten eigentlich sein, dass man einen Impfstoff entwickelt für die Schleimhautimmunität. Da wissen alle, dass das bei Atemwegserkrankungen super wäre, es hat aber noch nie gekappt, das ist ja auch bei Schnupfen ewig versucht worden, hat nie so richtig funktioniert, und leider sind die neuesten Daten bezüglich Sars CoV-2 auch nicht so vielversprechend. Diese Schleimhautimpfungen haben nur eine ganz kurze Wirkung, nach 2 bis 3 Monaten wirken die nicht mehr richtig.

Das zweite Geschäftsfeld, wo man sich hin bewegen kann, sind Kombinationsimpfungen, dass man sagt, wir bieten eine Spritze an, wo man Influenza plus Sars CoV-2 plus vielleicht noch RSV oder sowas, alles gemeinsam jedes Jahr machen kann. Das wäre auch ein feines Geschäftsmodell. Da warne ich eben davor, das zu machen, bevor man verstanden hat, wie die RNA-Impfstoffe genau wirken, also ich glaube, solche Kombinationspräparate, die sollte man dann anbieten, wenn man genau weiß, dass jede der einzelnen Komponenten dringend notwendig ist. Deshalb muss man bei solchen Kombinationsimpfstoffen besonders gut überlegen: Brauch ich das alles wirklich und kann ich das wirklich alles wirklich gleich stark empfehlen, sonst hat man dann Impfausfälle hinterher, sonst sagen die Leute dann, gut, dann lass ich mich eben auch gegen Influenza nicht mehr impfen, wenn ich das nur im Package kriege mit was, was ich nicht haben will.

Deshalb bin ich sehr dafür, genau die Wirkmechanismen zu untersuchen und dann erst im nächsten Schritt Richtung Kombinationsimpfungen zu gehen und sich da nicht von der Pharmaindustrie noch einmal treiben zu lassen, um den Bogen zu spannen zu Frau von der Leyen in dem Sinne, dass die sagen: "Wir haben jetzt diese Kombinationsimpfstoffe, und nehmt die bitte, auf Wiedersehen."


Soweit der Podcast des Virologen Alexander Kekulé.

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