Die NEUEN sind für die Sicherung der Barrierefreiheit unserer Inhalte


Ein Beitrag von Susanne Droege

Die Gefährdung der Barrierefreiheit durch Stellenreduktion


Der BR hat sich aus gutem Grund der Diversität und Gleichstellung verpflichtet, denn Vielfalt und Respekt sind Grundlagen unserer modernen demokratischen Gesellschaft. 

 

Unser gesetzlicher Auftrag fordert uns nicht nur zur Themenvielfalt auf, um möglichst viele Lebensweisen und Meinungen im Programm darzustellen, sondern auch dazu, möglichst viele Menschen zu erreichen.

 

Es geht also nicht nur um eine kulturelle Diversität, sondern ebenso um die Diversität der Generationen, der Einkommensschichten und um die Inklusion von Menschen mit Behinderungen. 

 

Damit sind wir beim wichtigen Punkt der ‚Barrierefreiheit‘ unserer Produkte angekommen, wie sie grundlegend ist für die Arbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Hier gehören die Untertitelung und Audiodeskription ebenso dazu, wie die Versorgung unseres nicht-digitalisierten Publikums mit Informationen über niederschwellige Angebote, z.B. dem BR Text. 

 

Man müsste meinen, dass diese Redaktionen und angrenzenden Gewerke beim BR zur sensiblen Infrastruktur gehören und einem besonderen Schutz unterliegen. Jedoch wird auch hier Stellenabbau betrieben, der dazu führt, dass nicht alle Menschen Zugang zu unseren Sendungen und Angeboten haben, obwohl sie uns über den Rundfunkbeitrag paritätisch finanzieren. Uns fehlen die festen erfahrenen Fachkräfte, die nicht allesamt durch Werkstudenten und Zwei-Jahres-Mitarbeiter*innen ersetzt werden können.

 

Hinzu kommt, dass durch den massiven Stellenabbau in der Produktion und auch in der technischen Abnahme ganze Produktionsbereiche an externe Dienstleister abgetreten wurden oder entfielen, die bisher eine wichtige Rolle bei der Qualitätssicherung unserer Produkte spielten- auch in Hinsicht auf eine Barrierefreiheit. 

 

In-House-Produktionen mit fixer Belegschaft stellen sicher, dass solche Zielsetzungen grundsätzlich verstanden und im technischen Prozess jederzeit umgesetzt werden, ohne dass bei Produktionsstart neu instruiert werden muss. Dies gilt für die Sprachverständlichkeit ebenso wie die optische Barrierefreiheit z.B. bei Einblendungen, Grafiken und Bildkompositionen. 

 

Greift man nicht auf eine feste, eingeschworene Stammbelegschaft von Expert*innen zurück, muss man für die Qualitätssicherung zwangsläufig stets neu instruieren oder läuft Gefahr, diese preiszugeben. Denn es ist in der Branche durchaus üblich, auf Effekt und Eindringlichkeit zu produzieren und die Frage, ob Bild und Ton dann auch für jeden Menschen barrierefrei rezipierbar sei, hintenanzustellen. Nicht umsonst war es jahrzehntelanger Usus, dass alle in House-Mischungen und zum Teil auch fertig geschnittene Produktionen über ein simples Fernsehgerät überprüft wurden, um die Barrierefreiheit unserer Produkte zu sichern.

 

Dies entspricht meiner eigenen Erfahrung als freie und feste Cutterin im BR sowie für Fremdfirmen - und meiner langjährigen Erfahrung im administrativen technischen Support. 

 

Zudem bedeutet Outsourcing natürlich auch den Verlust von Fachkräften, die sich mit dem BR, unserem Publikum und unseren Werten fest verbunden fühlen und identifizieren und daher auch die Optimierung unserer Produkte als Kulturgut im Blick haben. Denn nicht zuletzt müssen wir die Barrierefreiheit und Qualitätssicherung unserer Angebote auch in Hinsicht auf eine Langzeitverwertung und Archivierung schützen.

 

Es erscheint für mich daher unerlässlich, diese sensiblen Bereiche personell zu stärken und nicht dem Stellenabbau und der Umwandlung in Werkstudentenstellen preiszugeben. Befristete Verträge auf bis zu sechs Jahre verlängern zu können, ist in diesem Zusammenhang positiv, wenngleich es dem BR weit besser zu Gesicht stehen würde, mehr jeungen Menschen eine dauerhafte Perspektive zu bieten. Anzudenken sind meines Erachtens auch Versetzungsangebote und Stellenumschichtung, z.B. mit qualifiziertem und qualifizierbarem Personal der Produktion 4.0.

 

Überhaupt erscheint mir das Konzept, Stellen umzuschichten, noch nicht genügend ausgeschöpft. Ich erinnere mich, dass man mir 2016 mit der Produktion 4.0 „einen großen Wurf“ ankündigte. Die Idee war damals bereits, Arbeitnehmer*innen multifunktional einzusetzen und Versetzungen zu erleichtern. An sich birgt dieses Modell ein gutes Potenzial für Betrieb und Belegschaft, jedoch ist das Procedere, die Stellen abkaufen zu müssen, der Sache nicht dienlich. Ebenso wenig die Bedingung, dass Stellen stets zu 100 % erfüllt werden müssen, sodass festangestellte Mitarbeiter*innen nicht die Möglichkeit haben, in mehreren Abteilungen, Redaktionen und / oder Berufsbildern zugleich zu arbeiten. Auch Rückkehrmöglichkeiten innerhalb einer Probezeit anzubieten, würde Versetzungen erleichtern. Die Verhandlungen zum neuen Gehaltstarifvertrag müssten diese Punkte mitbedenken.

Wir sollten Bedingungen für betriebliche Maßnahme schaffen, die einen echten Anreiz für die Beteiligten bieten.


Susanne Droege