Hier veröffentlichen wir konkrete Programmbeispiele, über die KollegInnen diskutieren wollen



Eine Analyse eines BR-Berichts und eines Live-Interviews vom 21.05.24, BR24 Rundschau

von Ralf Eger


Die BR-Berichterstattung zum Gaza-Krieg empfinde ich seit langem als sehr einseitig. Dass Deutschland ein besonderes Verhältnis zu Israel hat, muss nicht näher erklärt werden. Dennoch hätte der BR die Pflicht, auch über den Gaza-Krieg möglichst neutral zu berichten. Ich möchte nun den ersten BR-Bericht und ein damit verknüpftes Interview zur jüngsten Entwicklung, die vom Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan, beantragten Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant, unter dem Aspekt betrachten, inwieweit der BR hierbei seinem Programmauftrag einer neutralen Berichterstattung nachkommt. 

Ausgestrahlt wurde dieser Bericht und die Live-Zuschaltung am 21.05. in der um 18:30 Uhr-Ausgabe der BR24 Rundschau.

Es liegt mir fern, die journalistischen KollegInnen, die den Beitrag erstellt und am Interview beteiligt waren, kritisieren zu wollen. Ich gehe davon aus, dass dieser Beitrag und die gestellten Interviewfragen so von der Redaktion in Auftrag gegeben und genau in dieser Art gewünscht wurden. Wäre dem nicht so, hätte sich die inhaltliche Machart der Beiträge im Laufe der letzten Monate verändert, was ich nicht erkennen kann.

 

Hier zunächst der wortgenaue Inhalt des Fernsehbeitrags und des Interviews:

„Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Führer Sinwara beantragt“, der am 20.05. in der Rundschau mit einem anschließenden Interview gezeigt wurde.

(Bericht und Interview zusammen 2 Min 55 Sek)

 

Der Beitrag:

 

Es geht um den Vorwurf von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel und dem seitdem andauernden Krieg im Gazastreifen. Sowohl Israels Präsident Netanjahu und Verteidigungsminister Galant als auch drei hochrangige Hamas-Führer seien für Verbrechen in diesem Zusammenhang verantwortlich, so der Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof, Auf seine Vorwürfe reagierte das israelische Parlament empört. (Originalzitat Amir Ohana, Sprecher der Knesset) „Der internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat der Welt bewiesen, dass er nicht legitim ist. Eine Institution, die nicht in der Lage ist, zwischen dem Angreifer und dem Verteidiger zu unterscheiden, zwischen einer Demokratie, die die Menschenrechte respektiert und einer mörderischen Terrororganisation, so eine Organisation ist eine Gefahr für die Menschheit.“

Ob die beantragten Haftbefehle erlassen werden, müssen nun die Richter des internationalen Strafgerichtshofs entscheiden.

Sollten sie dem Antrag des Anklägers zustimmen, gäbe es zwar keinerlei Möglichkeit der direkten Vollstreckung, die Bewegungsfreiheit der Betroffenen wäre jedoch deutlich eingeschränkt.

 

Das Interview:

 

Rundschaumoderatorin: „Wir schalten nach Tel Aviv zu unserer Korrespondentin. Wir haben gerade eine erste Reaktion aus der Knesset gehört, haben denn Netanjahu und sein Umfeld schon reagiert auf die Ankündigung aus Den Haag?“

Israel-Korrespondentin: „Ja, in Israel zeigt man sich sehr empört, die Kritik richtet sich vor allen Dingen darauf, dass die Hamas und Israel, die israelische Führung hier im gleichen Atemzug erwähnt werden, das zeuge von moralischer Blindheit, sagt zum Beispiel Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett von Netanjahu. Er entgegnet, man führe einen moralischen Krieg, einen Krieg zur Selbstverteidigung, den man auch so weiterführen werde, und genau das sagt auch Premierminister Netanjahu. Auch er nannte das ganze eine große Empörung und man werde weitermachen, es werde Israel nicht davon abbringen, diesen Krieg so weiterzuführen, wie Israel ihn führt.“

Rundschaumoderatorin: „Aber Gantz hat ja gestern Netanjahu ein Ultimatum gestellt für einen Kurswechsel im Gazakrieg, nun ist Netanjahu unter enormem Druck, was bedeutet diese neue Entwicklung für sein Verfallsdatum im Amt?“

Israelkorrespondentin:

„Die Frage ist ja, ob dieser Haftbefehl nun wirklich ausgestellt wird, das müssen die Richter in Den Haag noch entscheiden, und das hätte natürlich für ihn die Konsequenz, dass seine Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt sein würde, aber auch da ist die Frage, welche Länder würden das tatsächlich umsetzen, würden dem tatsächlich folgen? In jedem Fall steigt natürlich der Druck auf Netanjahu, er würde weiter isoliert werden und dann eben in einer Reihe stehen etwa mit einem Putin, gegen den auch ein Haftbefehl erlassen wurde zu Beginn des Ukrainekrieges.“

 

Eine kurze Analyse des Beitrags:


Der Sachverhalt wird in 23 Sekunden in zwei Sätzen kurz umrissen.

Daraufhin 27 Sekunden lang der Sprecher der Knesset, der den Internationalen Strafgerichtshof delegitimiert und als Gefahr für die Menschheit bezeichnet.

7 Sek lang wird festgestellt, dass die Richter noch über den Haftbefehl entscheiden müssen, die letzten 10 Sek wird erklärt, dass die Konsequenz für die Beteiligten die Beschränkung der Bewegungsfreiheit wäre.

 

Im Interview wird ein weiteres Mal ausführlich auf die Entrüstung in Israel eingegangen und im Anschluss wiederholt, was im Bericht bereits gesagt wurde, nämlich dass der Haftbefehl noch ausgestellt werden muss und dadurch die Bewegungsfreiheit eingeschränkt würde, wobei noch die Frage gestellt wird, welche Länder diesen überhaupt umsetzen würden.

 

Fazit:

Dieser Bericht samt anschließendem Interview erscheint als Erstinformation nicht geeignet.

Die zentrale Information, welche konkreten Vorwürfe den beantragten Haftbefehlen gegen Netanjahu und Gallant zu Grunde liegen, wird dem Zuschauer vorenthalten.

Er „erfährt“ stattdessen über den Knesset-Sprecher, dass der Internationale Strafgerichtshof nicht legitim ist und eine Gefahr für die Menschheit darstellt. Dies nicht als Zitat in indirekter Rede, sondern in direkter Rede. Diese Aussage wird nicht durch eine zweite Gegenmeinung entkräftet und damit inhaltlich nicht angezweifelt.

Der Bericht geht lang auf die Reaktion des Sprechers der Knesset ein, die Israel-Korrespondentin schildert ebenso lang, wie Israel und 2 israelische Politiker reagieren, der bayerische Zuschauer erfährt jedoch nichts über die Reaktion der deutschen Bundesregierung und der im Bundestag vertretenen Parteien.

Sowohl im Bericht als auch im Interview wird die moralische Dimension dieses Falls völlig ausgeblendet, die Konsequenzen für die Betroffenen werden auf eine mögliche Bewegungseinschränkung reduziert, wobei im Interview auch dieses in Frage gestellt wird. Dass am Ende des Interviews noch gesagt wird, Netanjahu stünde im Fall einer Bestätigung der Haftbefehle in einer Reihe mit Putin, dürfte im Kontext dieses Interviews und des vorgeschalteten Beitrags bei den meisten Zuschauern eher bewirken, diese Gleichsetzung abzulehnen, handelt es sich doch bei Russland um eine Autokratie und bei Israel um eine lupenreine Demokratie.

Unser Programmauftrag einer neutralen Nachrichtenberichterstattung dürfte damit wohl nicht erfüllt worden sein.


Schreibt uns gern, wenn Ihr mitdiskutieren wollt:

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Ein Beitrag von Ralf Eger, der die Berichterstattung über Demonstrationen an drei konkreten Beispielen kritisch hinterfragt


Ein Standpunkt-Beitrag, der beinahe im Intranet erschienen wäre

Ich möchte eine Episode schildern, die sich Ende Januar dieses Jahres zugetragen hat.

Nachdem ich immer wieder auf Demonstrationen bin, teils beruflich, teils privat und die BR-Berichterstattung leider jedes Mal ganz anders war als das, was ich selbst vor Ort erlebt hatte bzw. über manche Demonstrationen gleich überhaupt nicht berichtet wurde, schrieb ich einen Artikel und wandte mich an das Intranet mit der Bitte, diesen als „Standpunkt“ zu veröffentlichen.

Zu meiner Freude sagte das Intranetteam sofort zu, ich sollte meinen Artikel nur noch ein wenig kürzen.

Meine Freude hielt aber nicht lange an, bereits am folgenden Tag erhielt ich einen Anruf, dass mein Standpunkt nun doch nicht veröffentlicht werden könne.

Meine Bitte, hier sagen zu dürfen, wer mich angerufen hat, wurde abgelehnt, auf meine Frage, wen ich als Entscheidungsträger nennen darf, wurde mir gesagt, dass es eine Entscheidung der Unternehmenskommunikation war. Das klingt etwas merkwürdig, da die Unternehmungskommunikation mir ja einen Tag zuvor grünes Licht gegeben hat.

Zur Begründung der letztendlichen Ablehnung wurde mir gesagt, dass ich zwar ein wichtiges Thema ansprechen würde, das Intranet aber hierfür nicht der richtige Ort sei, da man Artikel nur mit kurzen Kommentaren versehen könne. Das würde diesem komplexen Thema nicht gerecht werden.

Vorgeschlagen wurde stattdessen das direkte Gespräch mit KollegInnen und das wöchentliche „Weekly“ des Chefredakteurs Christian Nitsche.

Ich verstehe nicht, warum sich nicht alle BR-Mitarbeitenden, die sich für dieses Thema interessieren, an Diskussionen rund um unsere Programmangebote beteiligen können. Mit dem Publikum in Kontakt zu kommen, lässt sich der BR ja zu Recht einiges kosten.

Wir BR-KollegInnen arbeiten nicht nur für den BR, wir sind zugleich Publikum, das unter diesem Artikel, wäre er im Intranet veröffentlicht worden, seine Meinung zum Ausdruck hätte bringen können, eine Publikumsbefragung, die dem BR nichts gekostet hätte.

Auf unserer NEUEN-Webseite besteht jetzt die Möglichkeit, meinen Beitrag zur Diskussion zu stellen.

Ich hoffe, dass in den nächsten Tagen und Wochen noch viele KollegInnen Ihre Erfahrungen rund um die Erstellung oder auch Nichterstellung von Programminhalten berichten oder Beiträge gesehen haben, die sie für diskussionsbedürftig erachten.

 

Dies wäre mein Intranet-„Standpunkt“ gewesen::   

 

 

Wie berichten wir über Demos, wenn denn überhaupt

Ein Artikel von Ralf Eger

 

Ich arbeite seit 4 Jahren als Kameramann für Bayernaktuell

 

Seitdem war ich auf etwa einem Dutzend Demonstrationen und musste ausnahmslos feststellen, dass ich das vor Ort erlebte in der Berichterstattung nicht wiederfinden konnte oder gar nicht darüber berichtet wurde.

 

Ich möchte drei Beispiele näher betrachten. Ganz wichtig ist mir: Meine Kritik richtet sich nicht gegen die jeweiligen Autoren, die beste Arbeit leisten. Es geht mir darum, eine Diskussion anzuregen, darüber, welche Rahmenbedingungen wie verändert werden müssten, um eine möglichst neutrale, umfassende Berichterstattung zu gewährleisten.

 

Warum ausgerechnet Demonstrationen? Das Versammlungsrecht ist ein wichtiges Grundrecht. Jedermann hat das Recht, sich friedlich öffentlich mit anderen zu versammeln und dadurch zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen.

Das Versammlungsrecht läuft aber ins Leere, wenn über Versammlungen, wie in autokratischen Ländern üblich, einfach nicht, oder aber grob verzerrend berichtet wird.

 

Wie berichten wir im BR über Demonstrationen?

 

Beispiel 1: Eine Demonstration gegen Corona-Maßnahmen mit am 15.12.2021

 

Ich war zwischen 18 und 21 Uhr vor Ort und sollte Impressionen drehen.

Die Teilnehmer waren bunt gemischt, alt, jung, Familien mit Kindern, die Stimmung war heiter. Am hinteren Ende wurde Popmusik gespielt, einige tanzten. Auf der Hauptbühne eher volkstümliche Klänge.

Ich wurde ein dutzend Mal darauf angesprochen, die Öffentlich-Rechtlichen würden verzerrt berichten, bis auf eine Ausnahme sachlich und freundlich.

 

Nach Versammlungsende wurde die Ludwigstr. von der Polizei ca. 20 Min abgesperrt, was zu zunehmender Verärgerung der nach Hause Wollenden führte.

Nicht Wenige argwöhnten, die Polizei mache dies absichtlich, um doch noch eine Eskalation auszulösen.

Viele sprachen mich an, dies filmisch festzuhalten, man müsse doch darüber berichten.

Zum Glück blieb alles friedlich.

An der friedlich verlaufenden Demonstration nahmen 3700 Menschen teil, ca. Fünfhundert zogen nach Versammlungsende Richtung Innenstadt, 50 „schafften“ es bis zum Sendlinger-Tor-Platz.

 

Wie berichtete der BR darüber:

 

In der 22 Uhr-Rundschau wurden der Demo 10 Sekunden zugestanden, inhaltlich ging es um die nicht genehmigten Umzüge.

 

Auf BR24 gab es einen langen Beitrag, in dem ausschließlich die ungenehmigten Umzüge thematisiert wurden. Das ist keine Kritik am geschätzten Kollegen, der als Polizeireporter genau diese Aufgabe hatte und sie bestens umsetzte.

 

Über die eigentliche Demonstration enthielt der Beitrag keine Information, womit die Anliegen der 3700 Demonstranten schlichtweg ignoriert wurden.

Aus einer Berichterstattung über eine Demonstration wurde ein Polizeibericht. 


 

Beispiel 2: Ein dreieinhalbstündiger Demonstrationsmarsch zum „Global Action Day -Stop the Genocide“ mit ca. 1000 Teilnehmern am 13.01.24, beginnend am Odeonsplatz

 

Kurz vor Demo-Beginn wurde eine ca. 40m lange Papierrolle entrollt, auf der die Namen der getöteten Kinder von 0 bis 14 Jahren zu lesen waren. Ein verstörendes Bild, das nicht nur mich tief erschütterte.

Da ich keinen BR-Kollegen vor Ort sah, rief ich die Redaktion an und bot an, ein paar Bilder zu drehen und nach FM zu schicken.

Der CvD fragte beim linearen Programm und in der Online-Redaktion nach und informierte mich, dass kein Interesse bestehe.


Noch im November berichtete der BR über eine pro-palästinensische Kundgebung mit vergleichbarer Teilnehmerzahl, wobei die dort begangenen „Straftaten“ (unter anderem wurde eine palästinensische Flagge am Rathausturm gehisst) den Inhalt des Artikels bestimmten, was an die Berichterstattung über Corona-Demos erinnert.


2024 könnte man den Eindruck gewinnen, der BR wolle lieber gar nicht mehr über pro-palästinensische Demonstrationen berichten.


Beispiel 3: Die Demonstration gegen Rechts am 21.01.24


Junge Aktivisten von Fridays for Future schafften es, innerhalb eine Woche 250 Organisationen zu vereinen, zwischen 100 000 und 250 000 Menschen kamen. Eine Demonstration der Superlative.

Unter den Rednerinnen mehrere Mütter, die ihre Kinder beim Amoklauf 2016 im Olympiaeinkaufszentrum verloren haben und mit ihren kurzen Beiträgen alle Anwesenden zutiefst berührten.

Politiker waren lediglich Zaungäste, an diesem Tag zeigte sich die Zivilgesellschaft.

Auf der Bühne wurde nicht nur die AFD angegriffen, die Rednerinnen ließen kein gutes Haar an allen im Bundestag/Landtag vertretenen Parteien. Dies dürfte nur von einem Teil der Anwesenden so gesehen werden, es gab aber keine Pfiffe oder Unmutskundgebungen.

Über Fridays for Future wurde seit der exzessiven Berichterstattung der Klebeaktionen der Letzten Generation so gut wie nicht mehr berichtet, die 250 an dieser Demonstration beteiligten Organisationen dürften den BR-Zuschauern zum allergrößten Teil unbekannt sein, da deren Aktivitäten im BR-Universum kaum bis nicht vorkommen.


Wie hat der BR darüber berichtet:


Im BR24-Artikel keinerlei Hinweis darauf, dass Fridays for Future der Veranstalter war, selbstverständlich auch keine Auflistung der 250 Organisationen, die mit dazu aufgerufen haben.

Keine Information darüber, was bis zum Abbruch auf der Bühne gesagt wurde.


Im darauffolgenden Abschnitt sofort Dieter Reiter und Charlotte Knobloch, die lediglich als normale Mitdemonstrierende anwesend waren, mit Originalzitaten.

Gleich im nächsten Absatz erhielt Markus Söder, der auf der Demonstration nicht gesehen wurde, eine eigene Überschrift, und zu guter Letzt durften Piazzolo und Streibl von den Freien Wählern ihre Statements abgeben. Die letzten beiden waren zumindest vor Ort.


Als ersten Bericht sollte man jedoch eine anschauliche Beschreibung der Veranstaltung selbst erwarten können mit der Beantwortung der Fragen: Um was ging es, wer hat eingeladen, wer hat mit aufgerufen, was wurde auf der Bühne gesagt, wie wurde das Gesagte von den Demonstrierenden aufgenommen, wie verlief die Veranstaltung, wie war die Stimmung.

All dies wurde ausgespart, stattdessen künstlich eine Anbindung an regierende bayerische/Münchner Politiker geschaffen und diese ausschließlich von Organisationen der Zivilgesellschaft durchgeführte Demonstration dadurch in einen falschen Kontext gestellt.


Da im letzten Beispiel zwischen 100 000 und 250 000 live mit dabei waren, dürfte unsere Berichterstattung vom vorletzten Sonntag ein weiteres Mal dazu beitragen, dass sich, wie bereits aufgrund unserer Corona-Berichterstattung, abermals viele Menschen von uns abwenden.


Über Ereignisse objektiv und umfassend (im Internet gibt es keine Sendzeitbeschränkung) zu berichten, brächte uns, ganz ohne zusätzliche Kosten, das beste Argument, weshalb die Existenz öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten so wichtig ist für unsere unter zunehmenden Druck geratende Demokratie.


Die im Text angesprochenen BR24-Artikel:

(Die Namen der AutorInnen habe ich gelöscht, da diese zwar die Beiträge schreiben, die Rahmenbedingungen jedoch oft vorgegeben werden)

 

Beispiel 1: BR24 vom 16.12.2021

 

Corona-Protestzug durch München: Mehrere Festnahmen

Eine Versammlung von Gegnern der Corona-Politik ist in München zunächst friedlich verlaufen. Doch dann zogen rund 500 Teilnehmer unangemeldet durch die Innenstadt. Der Polizei gelang es erst nach einiger Zeit, die Aktion zu stoppen.

 

Eine Versammlung von Gegnern der aktuellen Corona-Politik hat am Mittwochabend in München ein Nachspiel gehabt: Die Veranstaltung in der Ludwigstraße stand kurz vor dem offiziellen Ende, als sich etwa 500 der nach Polizeiangaben rund 3.700 Versammlungsteilnehmer gesammelt auf den Weg machten.

Den insgesamt 400 eingesetzten Polizeikräften sei es zunächst nicht möglich gewesen, dem nicht angemeldeten Demonstrationszug zu folgen. Die Gruppe zog demnach Parolen skandierend mit Fahnen und Transparenten trotz fließenden Verkehrs quer über Straßen und Plätze zum Stachus und von dort über die Sonnenstraße Richtung Sendlinger Tor.

Demonstranten weichen Polizei immer wieder aus

Das Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei setzte sich in der Innenstadt fort. Um inzwischen aufgebauten Polizeisperren zu entgehen, bogen die Demonstranten spontan in Einkaufspassagen ab. Die Polizei versuchte wiederholt, vor den Zug zu kommen. Erst in der Sendlinger Straße gelang es den Einsatzkräften, den bis dahin aus noch knapp 50 Personen bestehenden Zug zu stoppen.

Gegen 21 Uhr habe die Polizei angeboten, vor Ort eine stationäre Veranstaltung anzumelden oder mit eingepackten Kundgebungsmitteln zu gehen. Daraufhin habe sich die unangemeldete Versammlung aufgelöst.

28 Demonstranten werden festgenommen

Die Bilanz der Polizei: 18 Personen wurden aufgrund erkennbarer Verstöße gegen die Maskenpflicht angezeigt. 28 Personen wurden wegen Beleidigungs- oder Körperverletzungsdelikten festgenommen. Ein Drohnenpilot, der sein Fluggerät über die Versammlungsfläche steuerte, wurde wegen eines Verstoßes gegen das Luftverkehrsgesetz angezeigt. Gegen den Versammlungsleiter wird wegen der Durchführung einer nicht angezeigten Versammlung ermittelt.


Beispiel 3: BR24 vom 21.01.24


Zu viel Andrang: Münchner Großdemo gegen rechts abgebrochen

In München haben sich am Sonntag viele Menschen versammelt, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Laut Polizei kamen 100.000 Menschen, die Veranstalter sprachen von 250.000 – wegen Sicherheitsbedenken wurde die Demonstration abgebrochen.

 

Die Polizei spricht von 100.000 Menschen – die Veranstalter gehen von einer Viertelmillion aus. Wie viele es tatsächlich waren, die am Sonntag in München an der Demonstration "Gemeinsam gegen rechts" teilgenommen haben, dürfte schwierig zu ermitteln sein. Wegen Sicherheitsbedenken mussten die Organisatoren die Veranstaltung zwischen Münchner Freiheit und Odeonsplatz nach einer Stunde wegen Überfüllung jedenfalls abbrechen.

Großdemo gegen rechts in München: Andrang bis zum Abbruch

Laut Polizei entfernte sich dann ein Großteil der Demonstranten friedlich vom Versammlungsort. Etwa 2.500 Menschen seien anschließend zu einer Spontanversammlung zusammengekommen, die gegen 16.45 Uhr aufgelöst worden sei. Über 450 Einsatzkräfte waren laut Polizei bei der Münchner Demo im Einsatz.

BR-Reporter berichteten von übervollen U- und S-Bahnen, die manche Haltestellen in der Innenstadt nicht mehr anfahren konnten – viele Menschen seien erst gar nicht mehr zur Demonstration gelangt. Zudem sei das Mobilfunknetz überlastet gewesen. Nach Gesprächen von Polizei und Feuerwehr mit der Veranstaltungsleitung wurde beschlossen, die Veranstaltung abzubrechen.

"Allerhöchste Zeit, dass wir als Gesellschaft gemeinsam für unsere Demokratie und Vielfalt einstehen!", teilten die Organisatoren mit. "Wir alle müssen jetzt aufstehen gegen Rechtsextremismus, wir müssen uns gemeinsam gegen die anhaltenden Entwicklungen stemmen, die nicht erst seit dem von Correctiv aufgedeckten Geheimtreffen die reale Gefahr für unsere Demokratie sind."

Reiter und Knobloch stolz und hoffnungsvoll

An der Demo nahmen auch mehrere bayerische Spitzenpolitiker teil, darunter Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er sagte dem BR: "Wir werden alles tun, gegen jeden Ruck nach rechts, den wir derzeit sehen, aufzustehen." In Bezug auf die große Teilnehmerzahl betonte Reiter, das seien die Momente, in denen er stolz sei, Münchner OB zu sein.

Auch Charlotte Knobloch, die Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, nahm an der Veranstaltung teil. "Ich habe wieder Hoffnung, wenn ich die vielen jungen Menschen hier sehe, die sich mit dem ganzen Herzen für die Demokratie und Menschenrechte einsetzen", sagte Knobloch. Das sei das, was sie sich immer gewünscht habe.

Söder sieht starkes Zeichen für Demokratie

Viele Demonstranten in München wandten sich auf Plakaten gegen rechtsextremes Gedankengut: "Remigriert euch ins Knie", "Lasst uns aus der Geschichte lernen, statt sie zu wiederholen", "Keine Toleranz für Intoleranz", "AfD - Ein Albtraum für Deutschland" und "Braune Flaschen gehören in den Altglascontainer nicht in den Bundestag" war dort unter anderem zu lesen. Auch Kritik an einer zunehmenden Rechtsdrift bürgerlicher Parteien wurde laut, "Abschottung ist Massenmord – Asylrechtsabschaffung stoppen" war zu lesen.

Bayern Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der auf der Demonstration nicht gesichtet wurde, schrieb am Sonntagnachmittag auf X: "Ein starkes Zeichen für die Demokratie: Zehntausende engagierte Bürgerinnen und Bürger haben heute in Deutschland und Bayern gegen Rechtsradikalismus demonstriert. Vielen Dank für dieses klare Signal! Wenn Demokraten zusammenhalten, haben Extremisten keine Chance. Wir werden unsere Werte gemeinsam und entschlossen verteidigen."

Piazolo: "Wichtig, gegen rechts zu demonstrieren"

Auch Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger von den Freien Wählern blieb der Veranstaltung fern. Er sprach auf einer Bauerndemo im Allgäu. Zuvor hatte er vor einer linksextremistischen Unterwanderung der Demos gegen rechts gewarnt. Sein Parteikollege, der frühere bayerische Kultusminister Michael Piazolo, sieht diese Gefahr nicht. Er stand ganz vorne an der Bühne: "Weil ich es sehr wichtig finde, gegen rechts zu demonstrieren. In Deutschland ist die AfD zu stark und deshalb tu ich auch alles, um ein Zeichen zu setzen und ich finde es sehr gut, dass wir das hier alle zusammen tun", so Piazolo.

Auch Vertreter vom Antifa Stammtisch München und Antifa NT, die vom bayerischen Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft und beobachtet werden, durften auf der Bühne sprechen. Dazu sagte Piazolo: Man könne "im Detail immer etwas kritisieren", ihm gehe es aber darum, "mit vielen Münchner Bürgern hier zusammenzustehen". Ähnlich äußerte sich Organisatorin Jana Häfner von Fridays for Futures: "Wir treten hier alle für denselben Grund ein, für Demokratie und Vielfalt", so Häfner. Deswegen dürften auch alle sprechen, die diese Werte teilen.


Wer mitdiskutieren will zum Thema Demo-Berichterstattung im BR, ist herzlich eingeladen:

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